Wien – Er sei "gegen exzentrische Interpretationen und auch gegen neutrale, langweilig-distanzierte", verriet er dem STANDARD vor knapp zehn Jahren. Diesbezüglich hat sich bei Till Fellner seither wohl nichts geändert – und auch bei seinem jüngsten Auftritt im Wiener Konzerthaus wurde er seinem Ruf gerecht: absolut ernsthaft, skrupulös vorbereitet, nie nach Eigenwilligkeit und Originalität suchend.

Dieser Ansatz läuft in einer Zeit, die Exzentrik als normal ansieht, Gefahr, gar als langweilig wahrgenommen zu werden. Wer jedoch genau zuhört, kann nicht nur die Klarheit der Linien bewundern, sondern auch die (kleinsten) klanglichen Abschattierungen und die bemerkenswerte Übersicht, mit der der Pianist ans Werk geht, hervorheben. Manchmal wirkt dies auch nach (zu?) großer Vorsicht: Bei Franz Schuberts aufgewühlter a-Moll-Sonate D 784 war Fellners Neigung, die extremen Kontraste und die notierten Fortissimo-Ballungen abzuschwächen, besonders deutlich – aber auch seine Kunst der schlichten Kantabilität, vor allem im heiklen Mittelsatz.

Wahre Offenbarung

Nach Franz Schuberts perfekt gerundeten, doch ebenfalls ein wenig brav wirkenden Moments musicaux war dann allerdings die Fantasie von Robert Schumann eine wahre Offenbarung: "Durchaus phantastisch und leidenschaftlich vorzutragen" – diese Vortragsanweisung löste Till Fellner tatsächlich nach Strich und Komma ein und schaffte insgesamt eine Interpretation wie aus einem Guss, die sich zugleich mit Hingabe dem Detail widmete: also den Akzentuierungen und kleinen Verzögerungen und jeder besonderen harmonischen Wendung. Diese 30 Minuten waren eine wahre halbe Sternstunde! (Daniel Ender, 21.6.2018)