Pass von Hilde Zaloscer.

Foto: Archiv John Sailer

Theatergründerin Stella Kadmon.

Foto: Österreichische Exilbibliothek

Stella und Bobby Kadmon auf Hochzeitsreise.

Foto: Österreichische Exilbibliothek

Wien – Am 31. Juli 1938 war der Andrang groß. Bis in die Nacht wurden im Stadttempel in der Wiener Seitenstettengasse Paare getraut. Es war der letztmögliche Termin, bis zu dem bloß konfessionell geschlossene Ehen nach dem Anschluss an Hitler-Deutschland staatlich anerkannt wurden.

An diesem Abend heiratete auch Minna Ehrlich Franz Kalisch. Er hatte ein Visum für Palästina und rettete sie so vor der dräuenden Verfolgung. Derweil floh der Mann, den Minna liebte, mit einer anderen. Vielleicht weil jene ein Kind hatte. Und zwei gerettete Leben sind mehr als eines.

Hochzeitsfoto von Sarah Berger und ihrem Cousin Hersch Fläscher, Wien, März 1938.
Foto: Privatarchiv

Das sind zwei von zwölf Scheinehen, die die Ausstellung Verfolgt. Verlobt. Verheiratet. Scheinehen ins Exil im Museum Judenplatz aufbereitet. Sie verhalfen Jüdinnen dazu zu fliehen, indem sie Juden mit Visa für andere Länder oder fremde Staatsbürger ehelichten. Kontrolliert wurden die Gründe für die Eheschließungen bis 1941 kaum. Verbunden mit der Auflage zur schnellen Ausreise waren sie im Interesse der Nazis.

Notlagen ausgenützt

Ehepartner dafür wurden im Verwandten- oder Freundeskreis, in Netzwerken oder per Zeitungsannoncen (nicht offen, aber zu erkennen) gesucht. Ehen, die aus Solidarität geschlossen wurden, waren für die Frauen sicherer als jene, die wegen Geld zustande kamen: Viele solcher "Geschäftsmänner" nutzten die Notlage aus.

Manche, die zum Schein geheiratet hatten, gingen im Zielland bald getrennte Wege. Rosa Krazs heiratete 1938 in Wien einen Franzosen, den ihre Brüder aufgetan hatten. Das Paar hatte einander vorher nie gesehen und sah einander auch danach nie wieder. Andere hielten den Anschein der Ehe aufrecht, schliefen aber in getrennten Betten. Viele wurden später geschieden. Nach 1945 die alte Staatsbürgerschaft zurückzubekommen war schwierig.

Die Schau präsentiert jeweils drei Lebensphasen: das Vorher, die Scheinehe, das Leben danach. Ganz nebenbei zeichnet sie aber Porträts starker Frauen. Etwa von der Frauenrechtlerin Yella Hertzka oder der Theatergründerin Stella Kadmon (Der liebe Augustin und Theater der Courage). (Michael Wurmitzer, 22.6.2018)