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Ägyptens Trezeguet benannte sich nach einem französischen Weltmeister, eiferte diesem aber nicht nach.

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Sadio Mané erfüllt die Träume von Millionen Menschen, deren Realität Arbeitslosigkeit, Armut, oft sogar Hunger und Krieg ist und bleibt.

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James Onyango Mwabe ist Kummer gewohnt. Der 50-Jährige arbeitet für die Nation Media Group "Africa for Africa", die hat ihren Sitz in Nairobi. Kenia hat sich natürlich nicht für die WM qualifiziert, Mwabe hat damit auch nicht gerechnet, der Schmerz hält sich somit in Grenzen. Dass es Ghana, Kamerun und Côte d'Ivoire, drei Klassiker im Fußball, nicht nach Russland geschafft haben, sei bedauerlich. "Aber es ist keine Überraschung. Es fehlt an allem. Keine Infrastruktur, kein Plan, nur Intrigen, kein Geld, dafür Korruption." Mwabe versorgt den Kontinent von Moskau aus mit Infos, schickt Podcasts und Geschichten. Es sind traurige Berichte. "Wer schreibt gern über Niederlagen?"

Ägypten und Marokko sind gescheitert, die Lage bei Nigeria und Tunesien ist fern von rosig. Bleibt der Senegal. Wie sagte Teamchef Aliou Cissé nach dem 2:1 gegen Polen: "Der gesamte Kontinent steht hinter uns. Die Leute glauben an uns, es erfüllt uns mit Stolz, Afrika zu vertreten."

Der Kontinent steckt im Dilemma. Die Cashcow Europa wird mit außergewöhnlichen Fußballern versorgt, mit den Drogbas, den Eto'os. Oder aktuell mit Sadio Mané aus dem Senegal. "Wir halten alle zu Liverpool. Weil es Sané geschafft hat. Er gibt Hoffnung", sagt Mwabe, der weiß, dass der Held einst RB Salzburg diente. Speziell im Westen und im Osten Afrikas – der Norden steht wirtschaftlich besser da – darbt der Fußball. Es gibt keine Nachwuchsförderung, die Trainer sind von jeglicher Ausbildung befreit, Talente werden weder erkannt noch erfasst, Gelder verlassen die eigenen Taschen nur im Notfall.

Niveau der Ligen bescheiden

Das Niveau in den Ligen ist bescheiden, die Landesmeisterschaften werden ignoriert. Hätten die Stadien Tribünen, sie wären leer. Es geht um Liverpool, Barcelona, Manchester City, um Vereine mit afrikanischen Spielern. Für Kinder ist die Premier League das Sehnsuchtsziel. Anders ausgedrückt: Mané erfüllt die Träume von Millionen Menschen, deren Realität Arbeitslosigkeit, Armut, oft sogar Hunger und Krieg ist und bleibt. Die Superstars stehen wiederum insofern unter Druck, als sie ihre Familien, ganze Dörfer, mitversorgen. Glück wird geteilt. Mané sagte einmal: "Von uns wird enorme Mentalität verlangt, wir sind unter Druck."

Vor ein paar Wochen wurde der ghanaische Verband vom obersten Gerichtshof des Landes aufgelöst. Der Präsident wurde der Korruption überführt, es gibt Beweise für Manipulationen. Abédi Pelé soll dem Kick nun Sauerstoff zuführen. Immer wieder haben Spieler von diversen Nationalteams mit Streik gedroht. Wegen fehlender Bezahlungen. Tradition ist, Trainer aus dem Ausland zu verpflichten. Man traut ihnen mehr zu. Der Argentinier Hector Cuper betreut in Russland Ägypten, der Deutschfranzose Gernot Rohr Nigeria, der Franzose Hervé Renard Marokko. Tunesien setzt auf den Einheimischen Nabil Maaloul, Senegal auf die Ikone Cissé. Und fährt gut damit. Die teuren Legionäre in den Chefstühlen scheinen sich abgenützt zu haben.

Winfried Schäfer war zwischen 2001 und 2004 Teamchef von Kamerun. Vor der WM 2010 in Südafrika sagte er in einem Standard-Interview. "Es gibt viele unseriöse Vermittler, die Fußballschulen werden oft von Europäern geführt. Da werden dann zehn Jugendliche auf einmal nach Belgien oder sonst wohin verfrachtet. Aber nur einer schafft es. Die andern neun trauen sich nicht mehr nach Hause, sie fühlen sich als Versager, landen in Europa auf der Straße. Der Menschenhandel ist tatsächlich ein Problem." Der Journalist Mwabe sagt nun in Moskau: "Das ist leider nach wie vor so."

Sehnsucht nach dem Durchbruch

Afrika sehnt den Durchbruch auf der größten Bühne herbei. Noch nie gab es einen Halbfinalisten, noch nie haben zwei Teams die Vorrunde überstanden. 2014 war das Viertelfinale afrikalos. Größter Erfolg war Nigerias Olympiasieg 1996. Der 42-jährige Cissé war 2002 Kapitän, als Frankreich im Eröffnungsspiel 1:0 besiegt wurde. Der Senegal trifft am Sonntag in Jekaterinburg auf Japan. Cissé sagte: "Wir müssen diszipliniert, bescheiden und demütig sein." Und er fügte hinzu: "Eines Tages wird ein afrikanisches Team, ein afrikanisches Land die Weltmeisterschaft gewinnen." Der Journalist Mwabe stimmt dem zu. "Denn träumen können wir. Ob ich es erlebe, weiß ich nicht." (Christian Hackl aus Moskau, 21.6.2018)