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Die Seidenstickarbeit aus der Song-Dynastie (zehntes Jahrhundert) zeigt Gibbons, die sich auf einem Baum vergnügen. Gibbons verschiedenster Art sind auf vielen historischen chinesischen Gemälden anzutreffen – einige davon gleichen keiner der heute noch lebenden Spezies.
Foto: Erich Lessing / picturedesk.com

Affen spielen in der chinesischen Kultur seit Jahrtausenden eine bedeutende Rolle. In den astrologischen Vorstellungen Chinas ist der Affe der Himmelsrichtung Westen zugeordnet und wird mit großteils positiven Merkmalen wie Optimismus, Intelligenz und Abenteuerlust assoziiert. Im chinesischen Volksglauben gelten Affen gar als übernatürliche Wesen, die ihre Gestalt verändern, sprechen und in die Vergangenheit blicken können. Selbst Götter treten in China bisweilen in Affengestalt auf.

Während allerdings Makaken meist als Trickster und weitgehend albern dargestellt werden, hatten Gibbons in China ein wesentlich erhabeneres "Gentleman"-Image. In dieser Darstellung tauchen sie auch oft in historischen Gemälden und Schriften auf. So etwa berichtet Li Bai, einer der wichtigsten Dichter der Tang-Zeit im 8. Jahrhundert, von den freundlichen Rufen der langarmigen Primaten bei einer Schifffahrt in der Nähe der Durchbruchstäler entlang des Jangtsekiang.

Heute leben in der Drei-Schluchten-Region keine Gibbons mehr – und solche Arten, die zumindest andernorts in China zu finden sind, weisen eine völlig andere Fellzeichnung auf als jene, die man auf den jahrhundertealten chinesischen Darstellungen erkennen kann. Diese Gemälde lassen vermuten, dass damals Gibbonarten die chinesischen Wälder bevölkerten, die es mittlerweile nicht mehr gibt.

Den Beweis für die Existenz von mittlerweile ausgestorbenen Gibbonarten fanden nun Biologen in einem jahrtausendealten Grab einer chinesischen Edeldame.
Foto: Samuel Turvey/ZSL

Verschwundene Arten

Ein Team um Samuel Turvey, Biologe der Zoological Society of London, hat nun erstmals einen direkten Beweis für diese verschwundene Tierwelt an einem ungewöhnlichen Ort entdeckt: Die Forscher identifizierten unter den Artefakten eines 2011 freigelegten Adelsgrabes in der Provinz Shaanxi die Knochen eines Gibbons, der wenig gemeinsam hat mit heute bekannten Arten.

Die rund 2200 Jahre alte Gruft nahe der Stadt Xi'an aus der Ära der Streitenden Reiche war möglicherweise für die Großmutter des ersten chinesischen Kaisers Qin Shihuangdi angelegt worden. Es enthielt unter anderem die Gebeine einer ganzen Menagerie von Tieren, die nach Ansicht der Archäologen aus der näheren Umgebung im Nordosten Chinas stammten, was vermutlich auch auf den mysteriösen Affen zutreffen dürfte.

Junzi imperialis als Spitze des Eisbergs

Die im Fachjournal "Science" präsentierten Analysen seines Schädels und Vergleiche mit bekannten Gibbon-Spezies ergaben schließlich, dass das mittlerweile ausgestorbene Tier nicht nur einer bisher unbekannten Art angehörte, sondern womöglich sogar eine eigene Gattung bildete. Der von den Forschern Junzi imperialis getaufte Gibbon könnte überdies nur die Spitze des Eisbergs sein: Die Darstellungen auf historischen Gemälden lassen auf eine ganze Reihe von Gibbon-Arten schließen, von denen man heute nichts mehr weiß.

Die offensichtliche Vorliebe der alten Chinesen für diese Primaten half den Tieren jedoch letztlich wenig: Die mit der Ausbreitung landwirtschaftlicher Flächen einhergehenden Waldrodungen und möglicherweise auch ein zunehmend kühleres und trockeneres Klima in Zentralchina dürften dafür gesorgt haben, dass viele dieser Gibbonarten heute nicht mehr existieren. (Thomas Bergmayr, 22.6.2018)