Foto: Oliver Schopf

Draußen hatte es 33 Grad, im Großen Schwurgerichtssaal gefühlte 15 weniger. Wie kalt oder wie heiß es Karl-Heinz Grasser innerlich zumute war bei seiner weiteren Einvernahme am Donnerstag, ist schwer zu sagen. Nach außen hin wirkt der Erstangeklagte, dem u. a. Bestechlichkeit und Untreue vorgeworfen werden und für den die Unschuldsvermutung gilt, immer gleich: cool, ungerührt, nie um eine Antwort verlegen, ab und zu eine Spur genervt. Als es auch am Donnerstag wieder um Termine ging in der "heißen Phase" vor dem Zuschlag der Bundeswohnungen ans Österreich-Konsortium im Juni 2004, konnte sich Grasser oft nicht erinnern – das alles sei ja schon lange her, wie er meinte.

Intensiv befragte Richterin Marion Hohenecker den Exfinanzminister zu Notizen seines damaligen Kabinettschefs, Heinrich Traumüller – eine mühsame, zähe Entzifferungsübung. Traumüller hatte minutiös Termine und Gespräche mit und Überlegungen von HBM (Herrn Bundesminister) vermerkt, aber Grasser blieb seiner Darstellung treu. Die lautet: "Die Vergabekommission hat entschieden." Und: "Der Sektionschef war der entscheidende Mann."

Grasser beruft sich auf Experten

Auch als "die zweite Runde" besprochen wurde (in der ersten hatte die CA Immo die Nase vorn, in der zweiten das Österreich-Konsortium, womit die Provision für Peter Hochegger und Walter Meischberger fällig wurde), blieb Grasser auf Linie. Alle Experten seien der Meinung gewesen, eine zweite Runde sei sinnvoll, weil sie "Spielraum nach oben" gesehen hätten. Grasser folgte der Empfehlung, wäre es doch "geradezu pflichtwidrig gewesen, wenn die Politik die zweite Runde abgelehnt hätte. Wir haben es abgenickt."

Der Frage, welchen Mehrerlös denn er selbst aus der zweiten Runde erwartet hat, folgte eine überraschende Antwort: "Ich habe mir keine Gedanken darüber gemacht." Er als Minister habe auch gar nicht die Zeit dafür gehabt – und letztlich habe es sich ja ausgezahlt, wie Grasser immer wieder betonte: Rund 40 Millionen Euro mehr seien es dann ja geworden für den Staat. Also: "Es war gut und richtig."

Unterschiedliche Darstellungen

Bei einer Kernfrage aus der Anklage, wonach Lobbyist Walter Meischberger den Preistipp fürs Österreich-Konsortium (mehr als 960 Millionen) von Grasser habe, gehen die Darstellungen der Angeklagten auseinander. Meischberger sagte ja aus, Jörg Haider habe ihm die Info über eine Finanzierungsgarantie der CA Immo über diesen Betrag gegeben.

Laut Grasser seien diese 960 Mio. Euro aber gar nicht relevant gewesen. Die CA Immo hätte nur bekanntgegeben, dass sie bei einem Kaufpreis von 922,7 Mio. Euro (erste Runde) in Summe auf ein "Gesamtinvestitionsvolumen" von 960 Mio. Euro komme. "Aus dieser Zahl ist für ein weiteres Angebot gar nichts abzuleiten", da habe man eine "Fata Morgana" für die Öffentlichkeit aufgebaut.

Hektik nach Bekanntwerden der Affäre

"Wie kam denn Grassers Freund, Berater und Trauzeuge Meischberger dann auf die Zahl?", wollte die Richterin denn vom Exminister wissen. Der sprang daraufhin in den Herbst 2009, die hektische Zeit nach dem Bekanntwerden der Affäre Buwog, in der Grasser bei Besprechungen mit Meischberger-Anwalt Gerald Toifl dabei war. Dort habe er "Meischi" (so heißt er im Kalender Grassers) danach gefragt und der habe ihn beruhigt: "Brauchst dich nicht aufregen", er habe die Info nicht aus seiner, Grassers, Sphäre, also nicht von Lehman, Vergabekommission oder aus dem Ministerium. Mehr interessierte Grasser gar nicht, das habe dann ja nichts mit ihm zu tun gehabt.

Auf interessierte Nachfrage Hoheneckers erklärte der Ex-Minister seine Theorie vom Vorteil des Nichtwissens: "Es wäre geradezu ein Fehler gewesen, wenn ich mich mit den Details dieses Geschäfts des Herrn Meischberger belastet hätte. Es war ja mein Vorzug, dass ich nichts damit zu tun hatte." Wichtig sei ihm nur gewesen, dass es in seinem Bereich kein Leak gegeben habe.

Am 17. Juli geht die Einvernahme weiter. Eines weiß man dank der präzisen Nachforschungen des Gerichts schon jetzt: Grasser konnte bis vor zwei Jahren auf seinem Handy keine E-Mails empfangen oder abschicken. Denn er sei ein "später Technologieannehmer", wie er wissen ließ. (Renate Graber, 22.6.2018)