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"Wolf, warum hast du so große Ohren?" DNA-Analysen lieferten eine reichlich nüchterne Antwort auf das große canide Mysterium von Montana.
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Bozeman/Wien – Kritische Beobachter der (sozialen) Medienlandschaft beklagen nicht ganz zu unrecht immer wieder Säue, die mehr oder weniger grundlos durch das digitale Dorf (also die Welt) getrieben werden – also eher unwichtige Neuigkeiten, die zu großen Geschichten aufgeblasen werden. Ende Mai zeigte sich eine solche Sau in Gestalt einer angeblich mysteriösen "wolfsähnlichen Kreatur", die ein Rancher am 16. Mai in der Nähe von Denton, Montana, erschoss, nachdem sie sich ein wenig zu nahe an sein Vieh herangewagt hatte.

Der Viehbesitzer meldete das abgeschossene Tier ganz nüchtern als Wolf. Doch Fotos des Tieres schienen einige Widersprüche mit der konventionellen Wolfsmorphologie aufzuweisen. "Etwas stimmt nicht mit dem Tier", sagte ein Sprecher von Montana Fish, Wildlife & Parks (FWP) in einem Video auf Twitter. "Es sieht nicht wie ein wilder Wolf aus." Experten zufolge schienen die Pfoten des weiblichen Vierbeiners für einen Wolf zu klein, die Zähne zu kurz, die Ohren zu groß und die vorderen Krallen zu lang zu sein.

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"Wolf, warum hast du so große Pfoten?"
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Futter für Kryptozoologen

Prompt sorgte das Tier weltweit für Schlagzeilen und heftige Spekulationen in den (sozialen) Medien. Es kam zwar eigenartigerweise niemand auf die Idee, dass sich die Großmutter im Märchen vom Rotkäppchen diesmal als Wolf verkleidet haben könnte ("Wolf, warum hast du so große Ohren?" – "Damit ich dich besser verwirren kann.") Davon abgesehen schoss die Fantasie der Verschwörungstheoretiker und Kryptozoologen aber ordentlich ins Kraut: Vom Werwolf bis zu einem unbekannten Tier à la Bigfoot wurde kaum eine Spekulation ausgelassen.

Am realistischsten erschien noch die Vermutung der Fachleute, dass es sich bei dem Tier um einen Hund-Wolf-Hybrid handeln könnte. Solche Kreuzungen sind zwar selten, tauchen aber doch von Zeit zu Zeit auf. Von dieser Annahme ging auch der österreichische Hunde- und Wolfsexperte Kurt Kotrschal aus.

"Ein relativ normal aussehender Wolf"

Klarheit sollten DNA-Analysen bringen, die seit einigen Tagen vorliegen – und in gewisser Weise eine Überraschung brachten. Die nüchterne FWP-Erklärung: "Die Untersuchung des Tieres im Tiergesundheitslabor von Montana Fish, Wildlife and Parks in Bozeman ergab einen relativ normal aussehenden, dunkelbraunen Wolf." Der Rancher hatte also doch recht gehabt, und ein paar Fotos hatten für viel Lärm um quasi nichts gesorgt.

Das Rätselraten dürfte, so die offizielle FWP-Verlautbarung, auf den Zustand des Tiers und die Fotos zurückzuführen sein, die kurze Beine und große Ohren zu zeigen schienen. "Innerhalb der Arten kann es eine Variabilität geben, die überhaupt nicht überraschend ist", sagte die Genetikerin Mary Curtis von den US Fish and Wildlife Services.

Normale natürliche Abweichungen

Mit anderen Worten: Individuelle körperliche Eigenschaften sind in freier Wildbahn nicht ungewöhnlich. Wenn sich ein Wolf also geringfügig von anderen Wölfen unterscheidet, ist das immer noch völlig normal. Nur halt anscheinend nicht in unseren sozial-medialen Parallelwelten. (tasch, 22.6.2018)