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Kommt nicht zur Geltung: Lionel Messi.

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Wird verantwortlich gemacht: Jorge Sampaoli.

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Nischni Nowgorod – Argentinien droht bei der WM in Russland ein völliges Desaster. Nach dem 0:3 am Donnerstag gegen Kroatien sind die Chancen auf einen Einzug ins Achtelfinale nur noch gering. Im letzten Match der Gruppe D am Donnerstag gegen Nigeria muss auf jeden Fall ein Sieg her, doch schon jetzt liegen die Nerven blank.

Bestes Beispiel dafür ist Messi selbst. Der fünffache Weltfußballer trägt die Hoffnung eines ganzen Landes, und sie lastet offensichtlich zu schwer auf den Schultern des bald 31-Jährigen. So versteckte Messi sein Gesicht beinahe ängstlich unter der rechten Hand, als er bei der Hymne gefilmt wurde.

Messi isoliert

Der Stürmer wäre in dieser Szene wohl am liebsten unsichtbar gewesen – was ihm während des Spiels über weite Strecken gelang. Während er beim 1:1 gegen Island noch Ausgangspunkt praktisch aller argentinischen Angriffe war, wirkte er im neuen 3-4-3-System isoliert. Messi wurde auf dem rechten Flügel von den Kroaten aus dem Spiel genommen, unternahm aber auch selbst zu wenig, um sich der Deckung zu entziehen.

Wieder einmal misslang der Versuch, ein System für die Nationalmannschaft zu kreieren, in dem der große Star am besten zur Geltung kommt. Dafür übernahm Coach Jorge Sampaoli die Verantwortung. "Er ist unser Kapitän, er führt das Team, aber wir haben es einfach nicht geschafft, ihm die Bälle so zuzuspielen, dass gefährliche Situationen entstehen", sagte Sampaoli.

Die Änderungen hätten nicht den gewünschten Erfolg gebracht, gab der 58-Jährige zu. "Vielleicht habe ich die Mannschaft nicht richtig eingestellt. Einige Spieler konnten mein System nicht umsetzen." Der Teamchef ließ aber auch durchblicken, dass er die verkorksten Auftritte vor allem auf mangelnde Qualität von Messis Mitspielern zurückführt. "Die Realität unseres Kader überschattet seine Brillanz. Leo ist limitiert, weil die Mannschaft mit ihm nicht so zusammenspielt, wie sie sollte."

"Lassen Sie uns über Schande und Peinlichkeit sprechen"

Mit dieser Erklärung ließen die argentinischen Journalisten den Trainer nicht davonkommen. "Lassen Sie uns über Schande und Peinlichkeit sprechen", forderte ein Medienvertreter. "Warum schaffen Sie es nicht, Ihre Spieler dazu zu bringen, Messi den Ball zu geben?", lautete eine Frage. Begonnen hatte die Pressekonferenz mit der Feststellung eines Redakteurs, dass Sampaoli nun von 40 Millionen Argentiniern dafür verantwortlich gemacht wird, Willy Caballero aufgestellt zu haben.

Der 36-jährige Chelsea-Ersatzgoalie verursachte mit einem haarsträubenden Fehlpass auf Ante Rebic das 0:1. Für seinen Club hatte Caballero in der vergangenen Saison gerade einmal 13 Einsätze absolviert, nur drei davon in der Premier League. Nachdem sich Einsergoalie Sergio Romero in der Vorbereitung verletzt hatte, machte Sampaoli den Chelsea-Reservisten zur Nummer eins – mit der Begründung, er sei fußballerisch besser als der von den Medien geforderte Franco Armani.

Der River-Plate-Schlussmann saß nur auf der Bank. Dafür spielte ein Klubkollege von Armani, der sich vor nicht einmal zwei Wochen noch auf Urlaub befunden hatte. Der 32-jährige Enzo Perez stand nicht im ursprünglichen 23-Mann-WM-Aufgebot, wurde am 9. Juni für den verletzten Manuel Lanzini nachnominiert – und durfte gegen Kroatien von Beginn an spielen.

Umkrempeln, Messi bleibt unangetastet

Beim Spiel der letzten Chance gegen Nigeria wird Sampaoli wohl wieder einiges umkrempeln, nur Messi bleibt unangetastet. Für den Kapitän könnte es das 127. und letzte Länderspiel werden. Sein Teamrücktritt nach der WM gilt als offenes Geheimnis – ebenso wie bei Javier Mascherano, Angel Di Maria, Gonzalo Higuain, Ever Banega, Lucas Biglia, Marcos Rojo und Sergio Aguero.

Letzterer meinte, als er auf Sampaolis Aussagen über die mangelnde Qualität im Kader angesprochen wurde: "Lasst ihn einfach reden." Damit befeuerte der Stürmer von Manchester City Gerüchte, wonach eine Spielerrevolte gegen den Coach im Gange sei. Der TV-Sender "TyC Sports" berichtete, Messi und Co hätten Verbandsvertreter um eine Absetzung Sampaolis gebeten und würden gegen Nigeria von Teammanager Jorge Burruchaga betreut werden wollen. (APA, 22.6.2018)

Pressestimmen nach Argentinien – Kroatien

ARGENTINIEN

"La Nacion":
"Eine Niederlage, die das Schlimmste der Auswahl bloßstellte und sie am Rand des Abgrunds zurückließ. Argentinien wird von Kroatien lächerlich gemacht."

"Ole":
"Chronik des Desasters. Ein schrecklicher Tag für die Seleccion in Russland."

"La Capital":
"Eine Mannschaft, die keine Auswahl ist. Sampaoli und seine Jungs sind an der eigenen Inkompetenz gescheitert, eine Realität, die genauso frustrierend ist wie sie vorhersehbar war."

"Clarin":
"Katastrophe gegen Kroatien. Argentinien hat schwer enttäuscht."

KROATIEN

"Sportske Novosti":
"Kroatien unter den besten 16! Der größte Sieg einer großartigen Generation. Die Nacht, in der Modric Messi war."

"Jutarnji List":
"Flammender Tango von Kroatien. Rebic, Modric und Rakitic haben uns einen historischen Sieg beschert."

SPANIEN

"Marca":
"Argentinien ist verloren. Messi ist verloren."

"Sport":
"Argentinien ist ein ewiges Drama."

FRANKREICH

"France Football":
"Gedemütigt, Argentinien nähert sich dem WM-Aus."

"L'Equipe":
"Kroatien qualifiziert, Argentinien versteinert."

RUSSLAND

"Sport-Express":
"Messis Pleite. Argentinien ist einen Schritt vor dem Aus. Es scheint, als nähere sich das Ende der großen Karriere von Lionel Messi."

"Kommersant":
"Argentinien hat gegen Kroatien verloren. Die argentinische Nationalmannschaft brauchte einen Sieg, aber anstatt anzugreifen, hat sie ihre Fans schockiert."