Ein Dreichstachliger Stichling, nichts ahnend von seinem Platz im Lebenszyklus eines Wurms.
Foto: WWU/Jörn Scharsack

Münster – Eine besonders tückische Form von Parasiten begnügt sich nicht einfach damit, heimlich von der Substanz ihrer unfreiwilligen Wirte zu zehren. Stattdessen beeinflussen sie das Verhalten des Wirts oder auch nur Zwischenwirts in ihrem Sinne – oft mit tödlichem Ausgang für diesen.

Bekannte Beispiele sind der "Zombie-Pilz" Ophiocordyceps unilateralis, der Ameisen an Orte steuert, an denen er seine Sporen optimal freisetzen kann, und seine Träger dort bis zu deren Tod verankert. Oder der Einzeller Toxoplasma gondii, der Mäusen die Angst vor Katzen nimmt, was sie zu deren leichter Beute macht – und den Parasiten zu seinem eigentlichen Ziel, der Katze, bringt.

Wurmbefall mit Auswirkungen

Eine vergleichbare Strategie wie Toxoplasma gondii verfolgt auch der Bandwurm Schistocephalus solidus, für den Fische die Zwischenwirte und fischfressende Vögel die anvisierten Endabnehmer sind. Allerdings reicht der verderbliche Einfluss des Bandwurms noch weiter, wie die Universität Münster berichtet: Er macht nicht nur den einen Fisch, den er befallen hat, gefährlich leichtsinnig, sondern kann indirekt den ganzen Fischschwarm in Gefahr bringen.

Mietnomade der schlimmsten Art: der Bandwurm Schistocephalus solidus.
Foto: WWU/Jörn Scharsack

Evolutionsbiologen um Jörn Peter Scharsack von der Uni Münster konnten dies anhand des Dreistachligen Stichlings (Gasterosteus aculeatus) zeigen, eines etwa zehn Zentimeter langen Süßwasserfischs, der auf der ganzen Nordhalbkugel verbreitet ist. Die Wissenschafter zogen Stichlinge im Labor auf und infizierten einige Tiere mit dem Bandwurm. Anschließend zeichneten sie das Verhalten der Fische vor und nach der Bedrohung mit einer Vogel-Attrappe auf.

Das Ergebnis: In Stichlingsschwärmen, in denen der Anteil infizierter Fische die Zahl der gesunden Tiere übersteigt, folgt die gesunde Minderheit dem veränderten Verhalten ihrer infizierten Artgenossen. Scharsack sieht das Schwarmverhalten als Ursache: "Der Drang, in der Gruppe zu bleiben, übersteigt die Vorsicht vor einem Vogelangriff." Umgekehrt orientieren sich infizierte Fische auch dann nicht am vorsichtigen Verhalten ihrer gesunden Artgenossen, wenn diese in der Mehrheit sind. Befallene Fische verhalten sich stets risikofreudig – zum Wohle des Wurms.

Tödlicher Kreislauf

Der hat zu diesem Zeitpunkt übrigens schon längst eine Leiche im Keller: Sein Lebenszyklus beginnt nämlich als Larve, die sich von einem kleinen Ruderfußkrebs fressen lässt. Das übersteht sie problemlos und wartet so lange in seinem Inneren ab, bis der Krebs von einem Stichling geschluckt wird. Dort kann der Wurm dann stark an Körpergröße zulegen und bis zu 50 Prozent des Gewichts seines Wirts erreichen.

Hat er es dann geschafft, dass sich der Fisch einem Vogel – zum Beispiel einem Eisvogel – selbst serviert, kann sich der Wurm im Darm des Vogels vermehren und Eier legen. Diese werden mit dem Vogelkot ausgeschieden, und wenn Kot ins Wasser gelangt, kann der tödliche Kreislauf von vorne beginnen. (red, 25. 6. 2018)