Die Arbeitszeit wird flexibilisiert, der Mensch als Kosten-Nutzen-Faktor eingeschätzt. Die zugehörige Ausbildung zielt bloß auf spätere Eignung, nicht auf die Entwicklung der Persönlichkeit ab.

Damit beschneidet man nicht nur folgende Generationen in ihrer Entfaltung. Man beschneidet auch die älteren Generationen, die einmal diesen Kosten-Nutzen-geübten, sich selbst kaum erforscht habenden Menschen ausgeliefert sein werden.

Ein unkonformes Ausscheren aus der offenbar erwünschten Massenprägung bietet Jugendliteratur und ihre unzähligen widerborstigen Heldinnen und Helden. Es gibt viele Wege, auf denen man mit ihnen mitfiebern, ihnen folgen, an ihnen wachsen, und, ja, sie irgendwann überflügeln kann.

Es gibt Heldinnen, die uns seit Jahrhunderten begleiten, wie die kleine Meerjungfrau, Helden, die das seit Jahrzehnten tun, wie Emil und seine Detektive oder Sofie in ihrer Welt, und dann gibt es noch frische Helden, gerade erst geboren. Super-Bruno und Harry Potter und Bartimäus, der absolut anarchische Dschinn. Sie alle können Freunde fürs Leben werden.

Heldinnen und Helden sind Leuchtturmfeuer in stürmischer Nacht, Wegbegleiter durch die Wälder des Erwachsenwerdens, Ratgeber in stillen, traurigen Momenten. Ihr Heldentum speist sich aus Authentizität und Mut, aus Weisheit und Draufgängertum, überwundener Unsicherheit, der Überwindung ganz realer Alltagsprobleme und aus übernatürlichen Begabungen und natürlich, wie immer, aus der Tatsache, dass sie für immer Kind oder Jugendliche, für immer magisch und für immer Vorbild und intensive Erinnerung an die eigene Adoleszenz sein werden.

Auch, wenn man längst weitergewachsen ist wie Peter Pans Wendy. Es kann nicht sein, dass Literatur nur den Kindern besserer Häuser vorbehalten bleibt.

Gerade jene Kinder, die von Haus aus wenige Möglichkeiten erhalten, Literatur kennenzulernen, und die möglichst früh in die Arbeitsmaschinerie eingegliedert werden sollen, brauchen sie noch dringender. (Julya Rabinowich, 23.6.2018)