Und wie seinerzeit so viele Festessen begann auch dieses Dinner mit je einem Stück Melone, verziert von einer einzigen Cocktailkirsche." Ian McEwans 2007 erschienene Novelle Am Strand (On Chesil Beach) macht ihren Aufschlag an einem ähnlichen Punkt wie die Verfilmung des britischen Theaterregisseurs Dominic Cooke: das gemeinsame Abendessen in einem biederen, mit einer gewissen Feierlichkeit versehenen Hotel am Chesil Beach. Florence Ponting und Edward Mayhew sitzen sich da gegenüber, ein frisch vermähltes Paar, bedient von zwei unsensiblen Kellnersburschen.

Die romantische Kulisse ist trügerisch, zwischen den Vermählten lauert ein sublimes Unbehagen: Saoirse Ronan und Billy Howle in der Ian-McEwan-Adaption "Am Strand".
Foto: Timfilm

Wie bei einem Bötchen, das aus dem Gleichgewicht geraten ist, rückt auch hier ein Kentern gefährlich nahe. Zu aufgeregt sind beide, deren Hochzeitsnacht unmittelbar bevorsteht. Und wo die Vorstellung dieser Zusammenführung recht unterschiedliche Gedanken hervorruft, stimmen die Anfang Zwanzigjährigen doch in einer Empfindung überein: Angst. Bei Florence, gespielt von Saoirse Ronan, kommt noch eine gute Portion Ekel hinzu.

McEwan notiert: "In einem fortschrittlichen, modernen, für angehende Bräute angeblich hilfreichen, in fröhlichem Ton verfassten Handbuch mit vielen Ausrufezeichen und nummerierten Illustrationen war sie auf Übelkeit erregende Worte und Wendungen gestoßen: Schleimhaut etwa oder das bösartig glitzernde Wort Penisspitze." "Modern" ist hier relativ. McEwans Geschichte spielt im Jahr 1962 und daran hat auch Dominic Cooke in seinem Regie debüt nichts verändert.

Feingliedrig, fragil

Sein Kostümdrama ist nach dem von McEwan verfassten Drehbuch geformt. Es ist eine feingliedrige Erzählung – wie auch Ronan in Am Strand zerbrechlicher anmutet als in ihren vorigen Filmen Brooklyn – Eine Liebe zwischen zwei Welten und Ladybird. Aber dass passt gut zu dieser Florence Ponting, einem Mädchen aus dem britischen Bürgertum, das es sich in den Kopf gesetzt hat, ein erfolgreiches Quartett anzuführen und auf die wichtigen Bühnen zu bringen.

Auch im Kontrast zu Edward Mayhew (Billy Howle), den Florence’ Mutter (Emily Watson) für einen "Bauerntrampel" hält. Aber Feines, Zartes, das ist bei McEwan stets genauso wahr wie gefährdet.

Der Trailer der Synchronfassung.
KinoCheck

Denn hinter den vielleicht noch als rührend wirkenden Unstimmigkeiten, möglicherweise amüsanten Befangenheiten, lauert auch ein Grauen, das noch eine Etage tiefer liegt als die von Florence artikulierten Abneigungen. Die junge Frau findet dafür keine Worte. Der Film wiederum zeigt einmal Anzeichen eines plötzlich einfallenden Bilderstroms. Er gelangt nicht zu Edward. Es gibt keine Sprache zwischen den beiden, die in diesen Keller vorstoßen könnte. Dabei hatte es zuvor eine ganze Menge gegeben, anderes.

Kirsche mit Mandel

Am Strand zeigt es in Rückblenden, die verdeutlichen, wie weit das Paar bis zum Tag am Chesil Beach schon gekommen war. Florence bewies sich vorbildlich im Umgang mit Edwards geistig entrückter Mutter, was auch zur Handlungsanweisung seines Vaters – "Marry that girl" – geführt hatte. Wanderungen, um einander zu besuchen, wurden zurückgelegt. Ein Konkurrent ausgestochen. Und die Münder, die bei den Küssen in Chesil Beach geschlossen sind, erschienen dies nicht immer.

Der Trailer der Originalversion.
Bleecker Street

Am Strand schmeckt wie eine Cocktailkirsche, in deren Mitte eine schlechte Mandel steckt: Zunächst klebrig süß, dann kräuselt es einem die Zunge vor Bitterkeit. (Carolin Weidner, 23.6.2018)