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Warum nicht einfach mal beim Yoga ein Buch lesen? Der "Herabschauende Hund" böte prima Gelegenheit dazu.

Foto: REUTERS/Jose Luis Gonzalez

Die Leser gehen verloren. Die Zahl der Buchkäufer, der verkauften Bücher und die Umsätze am deutschen Buchmarkt sinken. Das wissen wir schon länger. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels veröffentlichte vergangene Woche aber eine Studie, die dem Leserschwund genauer auf den Grund gehen sollte.

Sie startet mit ein paar für die Branche alarmierenden Zahlen. So ist der deutsche Buchmarkt von 2016 auf 2017 um 2,8 Prozent geschrumpft. Das entspricht einem Rückgang um 10 Millionen verkaufte Druckwerke auf 367 Millionen. Binnen fünf Jahren sind es gar 30 Millionen weniger.

Denn weniger Deutsche kaufen Bücher. 1,2 Millionen Leser von 2016 haben Büchern ein Jahr später den Rücken gekehrt (Minus 4,1 Prozent). Im Fünfjahresvergleich sind es 6,4 Millionen Abtrünnige (-17,8 Prozent). Damit kauften im Land Goethes und Charlotte Roches 2017 nur 44 Prozent der Menschen über zehn Jahren zumindest ein Buch. Wird aus dem Land der Dichter und Denker eines der Wischer und Watcher?

Ablenkungsindustrie

Der Leserschwund schlägt im Publikum der 19- bis 49-Jährigen am stärksten zu. Hier liegen die Rückgänge bei bis zu 37 Prozent. Die Internetnutzung ist in derselben Zielgruppe im Zeitraum besonders gestiegen, etwa um eine halbe Stunde täglich. Nachrichtenmedien und Messengerdienste führen die Ablenkungsindustrie an, gefolgt von Onlinespielen, Serien-Streams, Videoplattformen.

Ein paar freundliche Worte fand die Studie für das schwächelnde gedruckte Wort natürlich schon. Die Befragten verbänden damit durchweg Positives, heißt es. Zum Beispiel Entspannung, emotionales Erleben, Eintauchen in andere Welten und eine Erweiterung des Horizontes. Blöd nur, dass die genannten Benefits überhaupt nicht mit der Vorstellung der Befragten vom "modernen Lebensalltag" mit Multitasking, Erlebnisdruck, Zeitknappheit, Schnelllebigkeit und Reizüberflutung harmonieren.

Anders liegt die Sache bei Serien. Die bieten die genannten Goodies auch, sind zudem aber komfortabler zu konsumieren, weil sie "nur geringe geistige Aktivität" erfordern. Dass man nach der Lektüre eines Wälzers mit niemandem darüber sprechen kann, weil außer einem selbst keiner mehr liest, regt laut Ergebnissen auch nicht zum Schmökern an. Man sollte Warnungen auf Cover drucken: Lesen kann Ihrem Sozialleben Schaden zufügen!

Die Braut schminken

Was also tun? Wiewohl der Name der Erhebung "Buchkäufer – quo vadis?" nicht sehr zukunftsfit klingt: Den Studienmachern soll keiner Fortschrittsverweigerung unterstellen. In Workshops haben sie von Exlesern kostbare Ideen geerntet, um die Buchbraut für den Kundenbräutigam schöner zu schminken. "Bücher an unerwartete Orte bringen, z. B. in Fitnessclubs", lautet eine, "Erlebnisbuchhandlung mit Yoga-Stunden oder Rooftop-Party" und "Beachclub in der Buchhandlung" zwei andere.

Ratschläge sind auch Schläge, sagt man. Diese kommen tief. (Michael Wurmitzer, 24.6.2018)