"Freundinnen I (Die Schwestern)" von 1907.

Foto: Klimt Foundation

Ein inszenierter Aufreger: "Apfelbaum II" (1916) wird nun doch nicht gezeigt.

Foto: Belvedere

Gustav Klimt, da gibt es kein Entkommen: Die Goldene Adele grient von Espressotassen, Untersetzern oder Servietten, sein Kuss findet sich wiederum auf Straußeneiern und Porzellanvasen oder als dreidimensionales Objekt verewigt. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen, der Fantasie scheinen keine Grenzen gesetzt.

Das Klimbim lauert überall, in der Chinatown von San Francisco, in Chinas Hinterhöfen, in einem Laden gegenüber dem Prado in Madrid, in den Souvenirläden der Wiener Innenstadt oder in Museumsshops. Kein anderer österreichischer Künstler kann in der Kitschindustrie auf eine annähernd vergleichbare Karriere verweisen.

Der Typ und das aus seinem Œuvre generierte Sortiment bringt die Kassen gehörig zum Klingeln. Im Museumsalltag sorgt sein Name für stetigen Besucherzulauf, einerlei, wie viel "Klimt" sich hinter dem Ausstellungstitel dann auch tatsächlich verbirgt. Denn der große Wurf in Form einer umfassenden Retrospektive lässt auf sich warten, wohl auch, weil sie aufgrund unzähliger weltweit verteilter Leihgaben und enormer Versicherungsprämien nur schwer realisierbar ist. Stattdessen kochen die Institutionen konsequent ihr eigenes Süppchen. Nicht nur, aber besonders dann, wenn es ein Jubiläum zu zelebrieren gilt.

Klimt, ein Bestseller

Spätestens 2012, als sich sein Geburtstag zum 150. Mal jährte und hierzulande eine regelrechte "Klimtiade" stattfand, wähnte man bereits sämtliche Ritzen seines Schaffens ausgeleuchtet und jedes für Kunsthistoriker relevantes Fitzelchen Papier veröffentlicht. Irrtum.

Davon zeugen zahlreiche Ausstellungen seither: Klimt und die Frauen im Allgemeinen, die Industriellengattin Adele Bloch-Bauer im Speziellen, Klimt als Zeichner, Klimt und die Antike, Klimt und die Ringstraße. Davon zeugen weiters Bücher aller Art: über sein Verhältnis zu Emilie Flöge, den Schriftverkehr mit seinen Liebschaften, sein Atelier, seine Naturverbundenheit oder zu bekannten Raubkunstfällen. Ein Jahr ohne Klimt wurde auch in der Verlagsbranche irgendwann denkunmöglich. Der Markt scheint unersättlich, eine Überdosis nicht absehbar.

Darin unterscheidet sich das aktuelle 100-Jahr-Todesjubiläum nur unwesentlich von anderen Jahren.

Immerhin wird das Gedenkjahr Interessierten zum Abschluss eine Datenbank bescheren: Ein "erstes virtuelles Gedächtnis über den Weltkünstler", ein "frei zugängliches Online-Recherche-Portal", das Informationen über seine Werke, Autografen, Fotografien und auch über private Nebenschauplätze umfassen wird. Ein Projekt der Klimt-Foundation, in der Peter Weinhäupl, ehedem kaufmännischer Direktor des Leopold-Museums (LM), als Vorstandsvorsitzender fungiert und Sandra Tretter, vormals ebendort Kuratorin, als wissenschaftliche Leiterin.

Für Touris und Interessierte

Aktuell kooperiert man mit dem Leopold-Museum auf mehreren Ebenen: mit Leihgaben für die Ausstellung Gustav Klimt – Jahrhundertkünstler, die von Tretter zusammen mit dem amtierenden LM-Direktor Hans-Peter Wipplinger kuratiert wurde. Womit man – von den Touristen einmal abgesehen – Besucher anlocken und überzeugen will?

Mit acht Themeninseln, knapp 35 klein- und auch großformatigen Gemälden, 90 Zeichnungen, etwa 30 Fotografien und einer Hundertschaft an Archivalien. Sie decken den kompletten retrospektiven Bogen ab, inkludieren geläufige Pfade und die üblichen Skandale (u. a. Fakultätsbilder) ebenso wie sie tiefere und sogar bisher unbekannte Einblicke gewähren. Das liegt weniger am eigenen Bestand des Hauses, der etwa an der Gemäldefront mit sieben Exemplaren mengenmäßig überschaubar ist. Rudolf Leopold erwarb halt einst, was abseits von Museumsbeständen noch in Privatbesitz oder im Handel verfügbar war.

Novitäten sind neuen Dauerleihgaben gedankt, ein ganzer Schwung kommt von Klimt-Nachfahren oder aus anonymem Privatbesitz. Darunter das einzige Wiener Landschaftsmotiv Schönbrunn, begleitet von einem Brief an den ehemaligen Käufer, der um den Preis zu feilschen versucht hatte. Es blieb bei 8000 Kronen, "Als Draufgabe" stellte Klimt "2, eventuell 3 Zeichnungen" in Aussicht.

Kalkulierter Eklat

Zwischendrin harren die Rekonstruktionen des Ateliers in der Josefstadt oder des Modesalons der Schwestern Flöge der Begutachtung. Daneben Vitrinen mit fernöstlichen und afrikanischen Objekten, die den Künstler inspirierten und in der bunten Vielfalt seiner Ornamentwelt dokumentiert sind. Die gelungenste Inszenierung vereint die Hauszimelie Tod und Leben (1910/11-1915) und die sonst als Leihgabe im Belvedere beheimatete Braut (1917/18) – als letztes und unvollendetes Bild. Eine Art Kathedrale, in der die Werdung der Bilder über Klimts in Skizzen visualisierten "Gedanken" nachvollziehbar wird.

Dass ein Gemälde noch vor der offiziellen Ausstellungseröffnung wieder abgehängt werden musste, hat andere Gründe. Apfelbaum II (1916) war, wie mehrfach berichtet, 2001 an die falschen Erben restituiert worden, die das Bild verkauften. Der Verbleib war unbekannt. Nicht für Wipplinger, der es als Leihgabe der Fondation Louis Vuitton zu präsentieren gedachte. Der Republik mal soeben einen Fehler vor den Latz zu knallen? Ein kalkulierter Aufreger. Hinter den Kulissen kam es am Donnerstag zu einem Eklat. Zur Vermeidung einer Eskalation wurde es ins Depot verräumt. (Olga Kronsteiner, 22.6.2018)