Ethisch korrekt und nachhaltig – so wollen viele Investoren ihr Geld veranlagen. Wer bei den Ausschlusskriterien aber zu streng ist, schränkt sein investierbares Universum oft auch stark ein.

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Wien – Auf das Thema Nachhaltigkeit zu setzen ist modern geworden – im Supermarkt ebenso wie am Finanzmarkt. Das Problem hier wie da ist, dass Kunden oft die Übersicht fehlt. Denn auf den Produkten kleben unterschiedliche Labels, die die Einhaltung von Nachhaltigkeitskriterien beurteilen. Die einen nehmen's streng, die anderen weniger.

Doch wie wirken sich die unterschiedlichen Nachhaltigkeitskataloge auf einzelne Assetklassen aus, und können sämtliche Anlageklassen noch sinnvoll abgedeckt werden, wenn die Kataloge ganz streng eingehalten werden? Diesen Fragen ist die Security KAG nachgegangen.

Um das zu klären, wurden vier Kriterienkataloge über die gängigsten Assetklassen gelegt. Zudem wurde geschaut, wie viel von der jeweiligen Anlageklasse noch investierbar bleibt, wenn man den jeweiligen Kriterienkatalog vollinhaltlich anwendet, und was sich verändert, wenn man den Best-in-Class-Ansatz erlaubt. Damit können auch noch jene Unternehmen bzw. Emittenten investierbar gemacht werden, die innerhalb der Vergleichsgruppe noch die besten sind – etwa, weil sie eine glaubhafte Veränderung bei bestimmten Prozessen in Aussicht stellen.

Folgende vier Kriterienkataloge wurden für die Studie verwendet:

  • Österreich Hier wurde das Umweltzeichen (UZ49) sowie der Kriterienkatalog der Österreichischen Bischofskonferenz (Biko) berücksichtigt.
  • Deutschland Für Deutschland flossen die Vorgaben der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD) in die Analyse ein.
  • International wurde das von der Uno definierte UN-Global-Compact-Modell (UNGC) einbezogen.

Wie unterschiedlich die Auslegung jeweils ist, zeigt bereits die Atomenergie. Während diese in Frankreich als "grüne Energie" angesehen wird, ist sie in Österreich eines der gängigsten No-Gos.

Ursache und Wirkung

Bei der Analyse der Assetklassen zeigte sich folgendes Bild:

  • Aktien: Vom Aktienindex MSCI-World (enthält 1.653 Titel) scheiden mit Biko-Ausschlusskriterien bereits 564 Firmen aus. Das sind 34,5 Prozent des potenziell investierbaren Universums. Bei EKD sind es hingegen nur 132 Firmen, auf die verzichtet werden müsste. Beim UZ49 fallen 140 weg und beim UN-Katalog 206. Schaut man sich den verbleibenden Rest an und sucht hier nach den besten in der Gruppe, reduziert sich das Gesamtuniversum auf nur noch 489 (UZ49) bis 315 (Biko) Unternehmen. Das ist im Vergleich zum Ausgangsindex mit 1653 Titeln nicht mehr viel. Die Ausschlusskriterien richten sich vor allem gegen die großen Unternehmen. Beim Best-in-Class-Ansatz scheiden hingegen eher kleine Unternehmen aus, erklärt Josef Obergantschnig, Chief Investment Officer der Security KAG und Mitautor der Studie.
  • Staatsanleihen: In diesem Bereich wurden 57 Emittenten in die Analyse einbezogen. Je nach Kriterienkatalog bleiben jedoch nur zwölf (UZ49) bis 32 (EKD) über. "Das verkleinert das investierbare Universum deutlich", sagt Obergantschnig. Bei Staatsanleihen ergebe sich noch dazu ein deutlicher Shift Richtung Europa – da die USA etwa wegen der Todesstrafe wegfallen. Ein globales Portfolio lasse sich in diesem Bereich nicht gut und ertragreich zusammenstellen, zumal in Europa die Zinsen bei null verharren.

  • Staatsanleihen Emerging Markets: 155 Länder/Emittenten weist der Internationale Währungsfonds als Emerging Markets aus. Diese dienen als Grundlage für diese Segmentanalyse. Das Ergebnis: In kein einziges Land darf investiert werden, wenn die Biko-Kriterien angelegt werden. Lediglich 37 Länder bleiben für EKD-Anhänger, 55 für UZ49 und immerhin 79 nach den UN-Regeln. Auf Länderebene heruntergebrochen ergibt sich ein Übergewicht in der Region Afrika / Naher Osten. Die Themen Korruption und Todesstrafe führen in dieser Kategorie zu den meisten Ausschlüssen. Wie verändert sich das Bild mit dem Best-in-Class-Ansatz? Nur 17 Emittenten weisen dann noch eine sehr hohe Nachhaltigkeitsgüte aus.

  • Covered Bonds: Die 89 Unternehmen, die in dieser Kategorie in der Datenbank der Security KAG gelistet sind, bilden die Basis für diesen Punkt. Mit dem Biko-Ansatz fallen wieder die meisten (24) Unternehmen weg. Beim UN-Kriterienkatalog sind es sieben. Bei den beiden anderen Katalogen gibt es keine Verstöße. Auch beim Best-in-Class-Ansatz bleibt Österreich das strengste Land: Mit 32 verbliebenen Emittenten wird das investierbare Universum wieder recht klein. Regional ergibt sich wieder ein Übergewicht in Europa. "Das bedeutet auch in dieser Anlageklasse wiederum eine geringere Renditechance", sagt Obergantschnig.

  • Unternehmensanleihen: Auch bei dieser Kategorie (1.298 Emittenten) zeigt sich ein ähnliches Bild. Mit 401 Verstößen fallen bei Biko die meisten Optionen weg – mit 80 laut EKD die wenigsten. Mit einem verbleibenden investierbaren Universum von 155 Emittenten im Best-in-Class-Model bleibt der Biko-Katalog auch hier der strengste. EKD und UZ49 liegen mit 323/312 investierbaren Emittenten gleich auf. Im High-Yield-Bereich sind die Ausschlüsse noch auffälliger: Von 307 Emittenten bleiben mit dem Best-in-Class-Model nur noch 21 (Biko) bzw. 36 (EDK, UZ49) übrig.

"Schränkt man die Kriterien zu stark ein, bleibt in den jeweiligen Anlageklassen nicht mehr viel übrig", fasst Obergantschnig die Ergebnisse zusammen. Das gehe freilich zulasten des Diversifikationsgrades und birgt punktuell auch Performance-Risiken. Vor allem, wenn in Zeiten des Nullzinsumfelds auf Hochzinsanleihen verzichtet werden muss, weil etwa Emerging Markets aufgrund ihrer schlechteren Einstufung im Bereich der Korruption wegfallen.

Darin sieht Obergantschnig derzeit auch die Krux bei nachhaltigen Investments. Die Auswahlkriterien müssen geeignet sein, um genügend Unternehmen bzw. Emittenten zu finden, aber auch streng genug, um ausreichend nachhaltige Akzente zu setzen.

Risiko vermeiden

"Selbst wenn durch die Anwendung von ethischen oder nachhaltigen Kriterien bestimmte Wertpapiere nicht investierbar sind, heißt das nicht, dass man auf Rendite verzichten muss", sagt Alexander Osojnik, ESG-Analyst bei der Erste Asset Management. Oft würden mit diesem Ansatz auch unnötige Risiken vermieden, weil problematische Unternehmen nicht ins Portfolio kommen.

Einen großen Nachteil durch ein kleineres Investmentuniversum sieht auch Wolfgang Pinner, Leiter für nachhaltige Investments in der Raiffeisen KAG, nicht. "Die Einschränkung durch Nachhaltigkeitskriterien bewegt sich bei Standard-Assetklassen durchaus im Rahmen", sagt Pinner. Bei streng definierten Sub-Assetklassen könnten sich aber deutlichere Effekte ergeben.

Dem Problem, dass jeder Anbieter seine nachhaltigen Kriterien selbst definieren kann, könnte die EU nun beikommen. Das EU-Parlament hat ein Label für grüne Geldanlagen gefordert. Das sollten Finanzprodukte bekommen, die höchste Nachhaltigkeitsstandards erfüllten, heißt es in einem Initiativbericht. "Wir müssen es für die Leute einfacher machen, in grüne Wirtschaft zu investieren", so die grüne Abgeordnete Molly Scott Cato, die das Papier verfasst hat.

Für Obergantschnig stellt sich auch die Frage, welche Wirkung man mit seinem Investment erzielt und von welchem Niveau es hier sinnvoll ist zu starten. "Wo erreiche ich mehr? Wenn ich in ein großes Unternehmen investiere, das sich nur noch marginal verbessern kann, oder wenn ich in einen Bereich veranlage, der von einem niedrigeren Bereich startet und ob der Investorengelder verpflichtet ist, seine Standards zu verbessern." (Bettina Pfluger, 26.6.2018)