Lange bevor sie mit Lou Reed ein Paar bildete, verband sie bereits Konzeptkunst mit Musik: Laurie Anderson singt "O Superman" (Aufnahme aus dem Jahr 1982).

Chris Harris / Canal Street Communications

Ist ja auch eigenartig in der bildenden Kunst: alles so leise hier. Um nicht zu sagen: still, mucksmäuschenstill. Lediglich ein paar schreiende Farben hier, Darstellungen gesellschaftlicher Dissonanzen dort. Auch die Präsentation des eigenen Werks muss für das Ego eines Künstlers unbefriedigend sein. Fern vom Erschaffer hängt es vereinsamt an glatten Galerienwänden oder in vollklimatisierten Museumshallen. Die direkte Anbetung des Publikums, sie bleibt für den Schöpfergott fast nur in der alkoholgeschwängerten Atmosphäre von Ausstellungseröffnungen erlebbar.

Da ist es verständlich, dass es den bildenden Künstler zur Musik, zu den Tönen, den Lauten und den lauten Tönen zieht: Komm, sing mit! Das Mumok macht diesen künstlerischen Revierwechsel zum Thema. In der Ausstellung Doppelleben – Bildende Künstler_innen machen Musik haben Eva Badura-Triska und Edek Bartz den Versuch unternommen, eine "Geschichte der Musik bildender Künstler" in Bild und Ton zu erzählen.

Laufende Bilder

Und so kommt es, dass erstmals in der Geschichte des Mumok zwei Etagen des Hauses nicht mit bildender Kunst bespielt werden, sondern mit Tönen und laufenden Bildern. Die Video- und Filmaufnahmen werden auf große Leinwände projiziert, die Töne kommen aus Kopfhörern, die von der Decke hängen. Alles sehr clean und lean und weiß hier, wie in einem Geschäft des angebissenen Apfels.

OTS

Eingangs sieht und hört man erst einmal Yoko Ono. Ihr Voice Piece for Soprano, das sie 2010 im MoMA performte, lässt Erinnerungen an Meg Ryans vorgetäuschten Orgasmus im Film Harry und Sally anklingen. Minimalistisch geht es linker Hand weiter, Gerhard Rühm spielt sein eintonstück von 1952, von Michael Krupica speziell für diese Ausstellung in stimmungsvoller Weise filmisch festgehalten. Gleich daneben sieht man Hermann Nitsch auf der Orgelbank der Wiener Jesuitenkirche, schwer schnaufend und unter Zuhilfenahme von diversen Holzklötzchen und Weißwein bringt der Schüttbildner 2013 seine statisch-additive Orgelkomposition zur Aufführung.

Toll auch das Österreich-Intro auf Ebene zwei: Gerhard Rühm ist hier noch einmal zu erleben, er singt und spielt (auf einem Fazioli) sein Chanson die mutter hat das fleisch, es erinnert in seiner vergifteten Gewitztheit an Georg Kreisler. Vis-à-vis: Peter Weibel 1980 als begnadeter Poser und Sänger des Hotel Morphila Orchestra, mit der kraftvollen Endzeitnummer Tot im Kopf. Zwischen Rühm und Weibel macht Christian Ludwig Attersee einen auf amerikanischen Adriano Celentano.

Kippenberger elektrisch

Attersee ist der Pate eines weiteren Musikbeitrags bildender Künstler Bundesdeutschlands: Auf einer von Attersees sonntäglichen Matineen Mitte der 1980er rockte The Alma Band das 20er Haus. Der eine Oehlen (Markus) schlägt Zeug, der andere (Albert) die Gitarre, Martin Kippenberger versucht zu singen. Es gibt Probleme mit der tonverstärkenden Elektrizität, also tanzt Kippenberger eben in ekstatisch-elektrifizierender Weise. Ein großer Spaß!

Aber auch international gibt die Ausstellung viel her: Man sieht und hört (unter anderen) Alan Vega mit Suicide aus dem 1979er-Jahr sowie Captain Beefheart und seine magische Band, wie sie 1968 am Strand von Cannes musizieren. Sehr sexy, sehr oh yeah: Mike Kelley mit Destroy all Monsters. Cool: Throbbing Gristle mit Chris Carter. Lustig: die Boy-Band-Parodie in Schneeweiß von Trabant. Politisch wird's unter anderem mit Les Reines Prochaines aus der Schweiz (1989, mit Pipilotti Rist) und The Red Krayola with Art & Language (1976, mit Kathryn Bigelow). Und Fotokünstler Wolfgang Tillmans ist bei einer musikalischen Performance in der Tate Modern zu erleben: Das Licht ist natürlich wunderschön und sein rotes T-Shirt auch.

Allerlei Rechercheaufwand

Der Rechercheaufwand für die Ausstellung war nicht unbeträchtlich, in den seligen Zeiten vor der allgemeinen Allesfilmitis wurde nur weniges bleibend festgehalten. Bildende Künstler hätten als Musiker wichtige Impulse für deren Weiterentwicklung gegeben, klären die Ausstellungsmacher auf: so etwa Marcel Duchamp 1913 mit seinen Zufallskompositionen oder Futurist Luigi Russolo mit seiner Geräuschmusik; Yves Klein und Gerhard Rühm gelten als Inspirationsquelle für die Bewegung der Minimal Music. Also: Applaus! (Stefan Ender, 25.6.2018)