Die Orthopädietechnik-Mechanikerin Enyonam Ekpoh misst das Bein von Patientin Koudahé Adjovi aus.

Katrin Gänsler

Jeder noch so kleine Schritt ist eine große Herausforderung für Koudahé Adjovi. Sobald sie ihr Haus in Lomé, der Hauptstadt von Togo, verlässt, muss sich die 46-Jährige mit ihrem rechten Arm auf eine Krücke stützen. Langsam zieht sie das linke Bein hinterher. Seit mehr als sechs Jahren sind die Schmerzen ihr ständiger Begleiter. Schuld daran ist ein Unfall mit einem Moped. "Am 12. März 2012 ist es passiert. Meine Wirbelsäule wurde beschädigt."

Die Folgen sind gravierend für die Mutter von vier Kindern. Früher hat sie in einem Restaurant gearbeitet, was jedoch nicht mehr möglich ist. Auch die Ärzte haben davon abgeraten. So manches Mal weiß sie nicht, wie sie ihre Kinder versorgen soll, für die sie allein verantwortlich ist. "Das ist sehr schwer. Wir leiden", erklärt sie. Helfen könnte eine Operation, für die aber das Geld fehlt.

Schmerzen und Stigmatisierung

Doch es sind nicht nur die Schmerzen, die den Patienten mit Fehlstellungen zu schaffen machen, sagt Orthopädietechnik-Mechanikerin Enyonam Ekpoh. Sie arbeitet im nationalen Orthopädie- und Rehabilitationszentrum (CNAO) in Lomé und betreut Koudahé Adjovi. Viele leiden auch unter der Stigmatisierung. "Bis heute sagt man bei Lähmungen, dass sie von Gott verursacht wurden oder auch von Geistern."

Über angeblich böse Flüche schreibt auch Idrissa Diop, der im Senegal für ein Rehabilitationszentrum arbeitet, in einem 2012 veröffentlichten Artikel. Kommt ein Kind mit Behinderung auf die Welt, wird oft die Mutter verantwortlich gemacht. Sie habe beispielsweise ein angsteinflößendes Tier gesehen oder einen bösen Geist getroffen, heißt es im Volksglauben. Mittlerweile haben sich auch die Vereinten Nationen (UN) dem Thema angenommen und eine Informationsbroschüre herausgegeben, was man gegen Stigmatisierung tun kann.

Betteln, um zu überleben

Deren Folgen sind überall sichtbar: Nicht nur in Lomé, sondern auch in anderen Städten Westafrikas betteln an Ampeln überwiegend Menschen mit Behinderung. Gut gebildete behinderte Menschen schaffen es kaum, eine Universität zu besuchen. Die Gebäude sind meist nicht barrierefrei.

Dabei würde so manches Mal eine Orthese – eine Art Schiene, die beim Geraderichten eines verdrehten Fußes oder Arms hilft – reichen. Doch deren Herstellung war bisher zeitaufwendig und kompliziert. Auch die Passgenauigkeit war nicht immer gegeben.

Ändern können das nun Scanner und ein 3D-Drucker. Die neue Technik kommt seit wenigen Wochen in Lomé zum Einsatz. An dem Projekt der Hilfsorganisation Handicap International (HI) nehmen bis zum Jahresende 100 Patienten in Togo, Mali und im Niger teil. Orthopädietechnik-Mechanikerin Ekpoh führt den Scanner vor. Mit ihm lassen sich lautlos Aufnahmen der betroffenen Gliedmaßen machen, die direkt auf ihrem Laptop zu sehen sind. Das Gerät ist klein und leicht. "Damit kann ich theoretisch überall arbeiten", sagt sie.

Genau das ist das Ziel. Funktioniert der Ablauf, können künftig geschulte Mitarbeiter in entlegene Regionen reisen, und die Patienten müssten keine teuren und beschwerlichen Reisen mehr auf sich nehmen. Sogar in Kriegsgebieten kann es genutzt werden.

Orthese für ein Bein in zehn Stunden aus dem Drucker

Denn es braucht nur einen Mausklick, um die Aufnahme zur Afrikanischen Organisation für die Entwicklung von Zentren für Behinderte (OADCPH) zu schicken, die am Stadtrand von Lomé ihren Sitz hat. Dort wird sie ein weiteres Mal überprüft und geht dann in den 3D-Druck. Rund zehn Stunden summt der Drucker, um beispielsweise die Orthese für ein Bein herzustellen.

Mit dem 3D-Drucker könne letztendlich aber noch mehr erreicht werden, sagt Projektleiterin Elodie Tchibozo: "Es kann gelingen, dass Behinderte ganz normal am Leben teilhaben können. Sie haben Zugang zur Bildung, eine Arbeit und können selbstständig unterwegs sein." (Katrin Gänsler aus Lomé, 25.6.2018)