Nach dem Urteil gegen Liviu Dragnea brannten vielerorts wieder die Lichter: Tausende forderten mit eingeschalteter Handybeleuchtung den Rücktritt der Regierung.

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Von "Fernsehjustiz" sprach der nun schon zum zweiten Mal wegen Korruption verurteilte inoffizielle Regierungschef, von der Legalisierung eines "Verbrecherparadieses" die Opposition: In Rumänien spitzt sich nach dem Urteil gegen Liviu Dragnea, Chef der Sozialdemokraten (PSD) und starker Mann der regierenden sozialliberalen Koalition, die Regierungskrise weiter zu.

Tausende Rumänen waren in der vergangenen Woche unter dem Motto "Korruption tötet" auf die Straße gegangen wie schon so oft in den letzten anderthalb Jahren seit dem Regierungsantritt der PSD und der Liberaldemokraten (Alde). Den zivilgesellschaftlichen Initiativen, dem Widerstand des Präsidenten Klaus Iohannis und der Opposition sowie den Warnungen zahlreicher europä ischer Institutionen zum Trotz setzt jedoch die Regierung aufgrund einer komfortablen parlamentarischen Mehrheit nach wie vor höchst umstrittene Änderungen der Justizgesetze durch.

"Verhaftungen als Show"

Dragnea, der am Donnerstag in erster Instanz wegen Anstiftung zum Amtsmissbrauch zu dreieinhalb Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt wurde, beschuldigt die Justizbehörden, "Verhaftungen als Show" zu betreiben, und drohte ihnen mit einem "noch entschlosseneren und noch radikaleren" Kampf, bei dem die Justizgesetze per Dringlichkeitsverordnung statt über den parlamentarischen Weg umgesetzt werden sollen.

Tatsächlich haben die Anstrengungen gegen die Korruption in Rumänien durch die Verhaftung und Verurteilung zahlreicher Politiker in den vergangenen Jahren markante und von der EU gelobte Erfolge erzielt.

In seiner Zeit als Regionalpräsident im südrumänischen Teleorman soll Dragnea, der zwar nach einer Vorstrafe wegen Wahlmanipulation nicht selbst Regierungschef sein darf, jedoch den Kurs von Ministerpräsidentin Viorica Dăncilă de facto bestimmt, laut dem nicht rechtskräftigen Urteil für fiktive Anstellungen beim Jugendamt mitverantwortlich gewesen sein.

Die Regierung tut derweil alles, um Dragnea das Gefängnis zu ersparen. Zuletzt hat das Parlament blitzartig mehrere Änderungen der Strafprozessordnung beschlossen. Unter anderem würde die Verhängung der Untersuchungshaft erschwert. Künftig soll zudem eine Revision gegen rechtskräftige Gerichtsbeschlüsse möglich sein, wenn die Urteilsbegründung nicht von allen beteiligten Richtern unterzeichnet wurde – und das sogar bei bereits früher gefällten Urteilen. "Wie angegossen" passt diese Bestimmung laut Oppositionsvertretern auf Dragnea, dessen Urteil nur von vier der fünf Richter unterfertigt wurde.

Angesichts dieser Entwicklungen hatte Staatschef Iohannis erklärt, dass die PSD "nicht nur die Befugnisse des Präsidenten, sondern auch jene der Justiz zu amputieren versucht und Gesetze mit persönlicher Widmung für Dra gnea verabschiedet, was inakzeptabel ist".

Druck auf Präsident Iohannis

Ein zusätzlicher Zankapfel ist die Absetzung der Leiterin der Antikorruptionsstaatsanwaltschaft (DNA), Laura Kövesi. Justizminister Tudorel Toader hatte im Februar die Absetzung Kövesis gefordert, unter anderem mit dem Argument, dass sie durch Interviews für ausländische Medien "Rumäniens Image Schaden zugefügt" hätte.

Nachdem Iohannis den Vorschlag des Ministers als "unbegründet" zurückgewiesen hatte, erwirkte die PSD durch eine Anfechtung beim Verfassungsgericht die Verpflichtung des Präsidenten, der Forderung des Justizministers stattzugeben. Iohannis, der unterdessen ankündigte, für eine weitere Amtszeit kandidieren zu wollen, wird sich letztlich, so die Meinung der meisten Experten, fügen müssen – ein weiterer Etappensieg der Regierung, dem die zerstrittene Opposition trotz Anfechtungen der Gesetzesnovellen und Misstrauensanträgen kaum etwas entgegensetzen kann.

Indes versucht die Zivilgesellschaft an den Winter 2017 anzuschließen, als sie Gesetzesänderungen durch die größten Proteste seit dem Sturz des kommunistischen Regimes 1989 umkehren konnte. Es werden vorgezogene Wahlen gefordert.

Dragnea will davon nichts wissen. Am Freitag bat er die "tausenden" Rumänen, die – so wie womöglich bald er selbst – "wegen eines verfassungswidrigen Gesetzes" bezüglich Amtsmissbrauchs im Gefängnis sitzen würden, um Verzeihung. Er wolle bleiben, bis er sein Werk vollendet hat. (Laura Balomiri aus Bukarest, 24.6.2018)