"Einmal hatte ich einen älteren Herrn, der mir sagte, er unterhalte sich grundsätzlich lieber mit Männern – und er ist mit dem Prospekt wieder abgerauscht. Am nächsten Tag hat er dennoch mich wegen eines Verkaufstermins angerufen", sagt Autoverkäuferin Susanne Riha.

Foto: Christian Houdek

"So platt es klingt: Mein erstes Wort war 'Auto'. Als Kind waren alle Jungs aus der Nachbarschaft immer bei mir zum Spielen, weil ich die neuesten Spielsachen hatte: Elektroautos, Autobahnen, Waschstraßen. Mit meinem Opa bin ich oft in seinem silbernen Mercedes mit Schiebedach mitgefahren, das fand ich toll.

Autos und Autofahren faszinieren mich noch immer. Die Optik, der Geruch, die Innenausstattung. Die Unabhängigkeit, die Geschwindigkeit, das Fahrgefühl. Es gibt nichts Schöneres für mich, als mit einem gescheiten Auto auf einer Rennstrecke zu fahren. Ich würde auch immer ein Auto den öffentlichen Verkehrsmitteln vorziehen: Ganze 15 Jahre habe ich keine U-Bahn, keinen Bus und keine Straßenbahn betreten, vor kurzem war ich wieder öffentlich unterwegs.

Zuerst Ersatzteile, dann ganze Autos

Mein Weg in die Autobranche war dadurch quasi vorgegeben. Trotzdem legte ich nach meinem Abschluss an einer höheren Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe, die Unternehmerprüfung für unterschiedliche Branchen ab, um mir alle Optionen offen zu halten. Als ich die Stellenanzeige einer Autowerkstatt sah, schnupperte ich zwei Tage, dann wurde ich angestellt. Ich verkaufte Autoersatzteile, was mich allerdings nicht lange befriedigte.

Zwar konnte ich mir mit dem Gehalt mein langersehntes erstes Auto kaufen – einen alten Renault, bei dem ich die Musik sehr laut aufdrehen musste, um das Scheppern nicht zu hören. Doch ich wollte endlich ganze Autos verkaufen. Ich wechselte in ein Autohaus, als Assistentin des Autoverkäufers. Anschließend arbeitete ich im Autoverkauf, wo ich nach vier Jahren abgeworben wurde. Seit acht Jahren verkaufe ich mittlerweile Wagen bei Mercedes Wiesenthal in Wien.

Vorbehalte und rauer Ton

Neben mir gibt es noch eine zweite Verkäuferin. Das ist ungewöhnlich, denn Frauen sind eine Seltenheit in der Autobranche. In dieser Männerdomäne gehört ein rauer Ton zum Alltag. Ich habe es als Frau trotzdem nicht schwerer. Klar, viele Kunden sind überrascht, wenn sie mich sehen, manche haben auch Vorbehalte.

Einmal hatte ich einen älteren Herrn, der mir sagte, er unterhalte sich grundsätzlich lieber mit Männern – und er ist mit dem Prospekt wieder abgerauscht. Am nächsten Tag hat er dennoch mich wegen eines Verkaufstermins angerufen. In solchen Fällen muss ich schlagfertig sein, zeigen, dass ich mich in technischen Fragen auskenne. Deshalb bilde ich mich auch stetig weiter, denn der Markt ist schnelllebig. Ich muss die neuesten Innovationen kennen wie etwa autonomes Fahren, Sprachassistenz oder neue Lichttechnik.

Doch nicht nur die Fakten zählen, denn als Autoverkäuferin verkaufe ich Emotionen. Die Kunden entscheiden sich meist bei der Probefahrt, wenn sie sich ins Auto setzen, es fahren, spüren, riechen und Gefühle geweckt werden. Dabei sollte ich stets freundlich sein, was auch anstrengend sein kann. Wenn ich einen schlechten Tag habe, setze ich trotzdem keine Fassade auf, sondern bleibe authentisch.

Arbeitsunfähig nach Unfall

Verhandlungsgeschick lernt man in der Praxis. Wichtig ist, dass man die Kunden nicht bewertet, jeden akzeptiert. Und man darf ihnen auf keinen Fall ein Auto aufs Aug drücken, sondern muss ihre Bedürfnisse erkennen und berücksichtigen. Viele erzählen mir im Verkaufsgespräch mehr, als ich eigentlich wissen will und sollte. Manchmal bin ich mehr Psychologin als Autoverkäuferin. Da muss ich dann gut zuhören, um herauszufinden, welches Auto am besten passt. Denn ein Kunde, der nicht zufrieden ist und sich nicht wohlfühlt, bringt naheliegenderweise keine anderen Kunden. Für mich hört die Betreuung mit dem Kauf nicht auf, sondern eigentlich beginnt sie erst dann. Ich helfe meinen Kunden beispielsweise bei Serviceterminen.

Die Kundenbindung ist natürlich auch wichtig. Das hat sich gezeigt, als ich vor eineinhalb Jahren einen schweren Autounfall hatte und im Spital lag: Die Kunden sowie meine Kollegen boten mir Hilfe an. Aufgrund der Verletzungen war ich ein halbes Jahr arbeitsunfähig. Eine Fahrerin ist vom Gegenverkehr abgekommen und in mein Auto gekracht – ich war unschuldig. Hat man meinen Wagen nach dem Unfall gesehen, wird klar, dass es ein Wunder war, dass wir überlebten. Nach dem Unfall war es schwierig, wieder in ein Auto zu steigen. Ich tat es trotzdem: aus Leidenschaft zum Beruf und weil der Schauraum mein zweites Zuhause ist." (Selina Thaler, 28.6.2018)