"Alle bekommen Kinder, nur wir nicht." Paare mit unerfülltem Kinderwunsch leiden vor allem auch psychisch. Reproduktionsmedizin bringt viel Technik für ein sehr emotionales Bedürfnis.

Ist Fisch die Speise für die Liebe und für das Zeugen von Babys? So lautete die Überschrift eines kürzlich in der "New York Times" veröffentlichten Artikels. Studienergebnisse im Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism hatten angedeutet, dass (sehr) häufiges Essen von Fisch förderlich sei, wenn Paare ihren Kinderwunsch realisieren wollen. "Meeresfrüchte könnten die Spermienqualität, den Eisprung und andere Größen verbessern", sagt der Studienautor Audrey J. Gaskins von der Harvard University. Er räumt im Artikel aber auch ein, dass es einfach daran liegen kann, dass diese Paare nicht genug Zeit miteinander verbringen.

Dass genau dieser Umstand eine störende Größe beim Kinderwunsch sein kann, kann die Gynäkologin Christine Kurz aus ihrer klinischen Erfahrung nur bestätigen. Sie leitet die Kinderwunsch-Ambulanz am AKH Wien. Wenn der Partner das halbe Jahr durch die Welt jettet, macht dies das Schwangerwerden nicht einfacher. "Außerdem verschieben viele Paare ihren Kinderwunsch der Karriere zuliebe oft zeitlich nach hinten", so Kurz.

Die Rate an Spontanschwangerschaften geht ab dem 35. Lebensjahr der Frau deutlich zurück. "Bei Frauen über 38 Jahre sind etwa 50 Prozent der Eizellen genetisch verändert, weshalb sich die Embryonen dann zumeist nicht mehr normal entwickeln und die Einnistung in die Gebärmutterschleimhaut fehlschlägt", sagt Reproduktionsmediziner Christian Thaler, Leiter des Hormon- und Kinderwunschzentrums der Frauenkliniken im Klinikum der LMU München. Auch der entstehende Stress, wenn es nicht klappen will, wirkt ziemlich blockierend.

Ursache suchen

Wenn eine Frau nicht schwanger wird, liegt es in etwa 30 Prozent der Fälle an der Frau, in circa 30 Prozent am Mann und in weiteren 30 Prozent an beiden. Von gegenseitigen Schuldzuweisungen hält die Expertin Kurz gar nichts. "Schwanger zu werden ist nicht selbstverständlich, da es einige Störfaktoren geben kann", sagt die Ärztin. Eine Eizelle und Spermien müssen sich innerhalb eines Zeitfensters von zwölf bis 24 Stunden am richtigen Ort treffen. Weiterhin müssen die Spermien über ausreichend Enzyme verfügen, um die Eihülle zu "knacken" und in das Ei vorzudringen, und die Proteine auf der Oberfläche von Eizelle und Spermium müssen nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip zusammenpassen.

Alle bis zur Einnistung in der Gebärmutter erfolgenden Prozesse sind höchst kompliziert und sehr störanfällig. Es fängt bei der Eizellreifung an und hört bei der Einnistung der befruchteten Eizelle in der Gebärmutterschleimhaut auf: Besonders wichtig sind bei der Frau hormonell bedingte Fehlfunktionen, wie etwa eine Über- oder Unterfunktion der Schilddrüse mit weitreichenden Folgen für den gesamten Stoffwechsel. "Möglicherweise setzt die Hirnanhangsdrüse dann hormonell bedingt zu geringe Mengen des Fruchtbarkeitshormons Prolaktin frei. Der Follikel, wie wir das Eibläschen nennen, kann nicht ausreichend ausreifen, der Eisprung bleibt aus", erklärt Thaler.

Zu wenig Fett

Auch Magersucht und übermäßige Schlankheit können Ursachen für einen unerfüllten Kinderwunsch sein. "Wenn Frauen nicht genug Fett essen, fehlt Cholesterin als Grundbaustein der Sexualhormone", erklärt Kurz. Dann bleibe die Periode aus. Ernährt sich eine Frau wieder normal, komme der Zyklus wieder.

Zyklusstörungen treten auch beim Polyzystischen Ovarsyndrom (PCOS) auf. Betroffene Frauen haben zu viele männliche Geschlechtshormone. "Kommt es zum Eisprung, ist aber erst ein Teilsieg errungen", sagt Kurz. Die Eileiter können wegen einer Infektion mit Chlamydien oder Bakterien wie Escherichia coli oder aufgrund einer Eierstockentzündung verklebt und somit nicht durchgängig sein.

Leidet eine Frau an Endometriose, kann das die Ursache sein, dass die Schutzhülle um eine Eizelle, die Zona pellucida, für Spermien schwer zu durchdringen ist. Etwaige Endometriose-Herde aus verschleppten Zellen der Gebärmutterschleimhaut können im Eileiter den Transport der Eizelle behindern. Das Eileiterende ist für die Eizellen quasi das Sprungbrett in die Gebärmutterhöhle. Ist der Eileiter zwar nicht verklebt, aber entzündlich verändert, kann der Embryo während einer fünftägigen Wanderung in die Gebärmutterhöhle nicht optimal ernährt werden. Er kann dann deshalb nicht normal heranreifen. Dies und etwaige in der Gebärmutterhöhle wachsende Polypen und Myome stören das Einnisten der befruchteten Eizelle in der Gebärmutterschleimhaut.

Viele Ursachen für unerfüllten Kinderwunsch sind behandelbar, zum Beispiel mit Antibiotika, einer Operation, einer Hormonbehandlung oder der Einnahme von Schilddrüsenhormonen. Aber nicht in jedem Fall ist eine Therapie möglich. Mitunter, weil die Vorschädigung entzündungsbedingt einfach zu groß ist. Oder es ist nicht möglich, die Ursachen festzustellen. Wer trotzdem seinen Kinderwunsch realisieren möchte, kann auf die Reproduktionsmedizin hoffen.

Wenn es am Mann liegt

Die häufigste Ursache für einen unerfüllten Kinderwunsch beim Mann ist eine gestörte Spermienproduktion und -reifung. Die Spermien bewegen sich nicht gut, sind deformiert, es werden viel zu wenig oder gar keine Spermien gebildet. Die Spermienbildung ist ein ziemlich komplexer, vorwiegend von zwei Hormonen gesteuerter Vorgang. Temperatur und Nährstoffmenge müssen stimmen. "Entzündungen des Hodengewebes, Tumoren, genetische Faktoren wie das Vorhandensein eines zweiten X-Chromosoms, eine mit Schilddrüsenhormonen behandelbare Schilddrüsenunterfunktion, Giftstoffe, zu viel Sport, falsche Ernährung und Übergewicht können eine hormonelle Störung verursachen und damit die Spermienproduktion stark beeinträchtigen", nennt Reproduktionsmediziner Thaler mögliche Ursachen.

Und Nikotin kann Spermien zu "lahmen Enten" machen, indem es deren Zellkraftwerke schädigt. Ursachen für männliche Zeugungsprobleme sind außerdem die Infektionskrankheit Mumps im Jugendalter, ein Hodenhochstand sowie Krampfadern im Hoden. Bei den beiden letztgenannten Ursachen ist eine Operation möglich. Liegt eine die Spermienproduktion störende Infektion im Hoden, in den Nebenhoden oder in der Prostata vor, hilft eine Antibiotikabehandlung. Etwas Geduld ist aber nötig.

Sonderfall Krebs

Eine Krebserkrankung in jungen Jahren bedeutet nicht zwangsläufig das Ende eines etwa auch späteren Kinderwunsches. "Erfreulicherweise ist es nach überstandener Krebserkrankung möglich, ein Kind auf natürlichem Weg oder mittels künstlicher Befruchtung zu bekommen", sagt Kurz. Vor einer Chemotherapie kann Eierstockgewebe eingefroren oder mittels Hormonbehandlung künstlich ein Wechsel herbeigeführt werden. "Der Eierstock wird dann während der Chemo nicht durchblutet und bleibt unbelastet", erklärt Kurz. Männer können vor einer Chemo Samen abgeben, der eingefroren wird und später bei einer künstlichen Befruchtung der Partnerin eingesetzt werden kann.

Wer seine Hoffnung auf die Reproduktionsmedizin setzt, sollte nicht zu lange zögern. Denn auch hier gilt, dass die Wahrscheinlichkeit des Schwangerwerdens mit zunehmendem Alter abnimmt. Samenspenden an alleinstehende Frauen sind verboten, also höchstens in Ausnahmefällen möglich. Eine künstliche Befruchtung ist nur bis zum 48. Lebensjahr und nur für verheiratete Paare erlaubt. Die Krankenkasse bezahlt bei Verheirateten allerdings nur dann, wenn Frau und Mann jünger als 40 Jahre bzw. 50 Jahre sind. (Gerlinde Felix, 26.6.2018)