Blick in das Plasmagefäß der Fusionsanlage Wendelstein 7-X.

Foto: IPP, Jan Michael Hosan

Greifswald – Strom wird im Wendelstein 7-X freilich keiner erzeugt, vielmehr ist die Aufgabe des experimentellen Fusionsreaktors im Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) in Greifswald zu beweisen, dass sogenannte Stellaratoren kraftwerkstauglich sind und mit Anlagen vom Typ Tokamak mithalten können. Der Unterschied dieser beiden Methoden liegt in der Art, wie Plasma in einem Magnetfeld eingeschlossen wird.

Dass das Stellarator-Fusionskonzept durchaus funktionieren könnte, zeigt die Bilanz der jüngsten Experimentierrunde am Wendelstein 7-X: Die Anlage hat dabei höhere Temperaturen und Dichten des Plasmas als zuvor, längere Pulse und vor allen Dingen den weltweiten Stellarator-Rekord für das Fusionsprodukt erreicht. Zudem fand man erste Bestätigungen für das dem Reaktor zugrundeliegende Optimierungskonzept.

Innenverkleidung aus Grafitkacheln

Im Unterschied zur ersten Experimentierrunde 2015/16 ist das Plasmagefäß von Wendelstein 7-X seit September letzten Jahres mit einer Innenverkleidung ausgerüstet. Kacheln aus Grafit bedecken jetzt die Gefäßwände und machen höhere Temperaturen und längere Plasmaentladungen möglich. Mit dem sogenannten Divertor lässt sich darüber hinaus die Reinheit und Dichte des Plasmas regeln: In zehn breiten Streifen an der Wand des Plasmagefäßes folgen seine Kacheln der verwundenen Kontur des Plasmarandes. So schützen sie speziell die Wandbereiche, auf die entweichende Teilchen aus dem Rand des Plasmaringes gezielt gelenkt werden. Zusammen mit Verunreinigungen werden die auftreffenden Teilchen hier neutralisiert und abgepumpt.

"Die ersten Erfahrungen mit den neuen Wandelementen sind ausgesprochen positiv", sagt Thomas Sunn Pedersen, Leiter des Projektes. Waren am Ende der ersten Kampagne Pulsdauern von sechs Sekunden zu erreichen, sind nun bis zu 26 Sekunden lange Plasmen möglich. Dabei konnten bis zu 75 Megajoule Heizenergie in das Plasma eingespeist werden – 18 Mal mehr als in der ersten Betriebsrunde ohne Divertor. Auch die Heizleistung konnte erhöht werden – eine Voraussetzung für hohe Plasmadichte.

Rekord für das Fusionsprodukt

Auf diese Weise wurde ein Rekordwert für das sogenannte "Fusionsprodukt" erreicht. Dieses Produkt aus Ionentemperatur, Plasmadichte und Energieeinschlusszeit gibt an, wie nahe man den Reaktorwerten für ein brennendes Plasma kommt. Bei rund 40 Millionen Grad Ionentemperatur und einer Dichte von 0,8 x 1020 Teilchen pro Kubikmeter hat Wendelstein 7-X ein Fusionsprodukt von gut 6 x 1026 Grad mal Sekunde pro Kubikmeter erreicht – weltweiter Stellarator-Rekord.

"Dies ist ein für die Größe der Maschine ausgezeichneter Wert, der zudem unter realistischen Bedingungen, d.h. bei hoher Temperatur der Plasma-Ionen erreicht wurde", so Sunn Pedersen. Die erzielte Energieeinschlusszeit – ein Maß für die Güte der Wärmeisolation des magnetisch eingeschlossenen Plasmas – deutet mit beachtlichen 200 Millisekunden darauf hin, dass die Wendelstein 7-X zugrundeliegende rechnerische Optimierung greift: "Das stimmt uns für die weitere Arbeit optimistisch".

Seit Ende 2017 liefen an Wendelstein 7-X weitere Ausbauten: Unter anderem wurden neue Messgeräte und Heizsysteme installiert. Im Juli sollen die Plasmaexperimente wieder beginnen. Ab Herbst 2018 ist dann ein größerer Ausbau geplant: Die jetzigen Graphitkacheln des Divertors werden durch kohlenstofffaserverstärkte Kohlenstoff-Elemente ersetzt, die zusätzlich wassergekühlt sind. Sie sollen bis zu 30 Minuten lange Entladungen möglich machen, in denen überprüft werden kann, ob Wendelstein 7-X seine Optimierungsziele auch dauerhaft erfüllt. (red, 25.6.2018)