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2021 soll mit dem Ausbau des Flughafens begonnen werden, 2026 soll die dritte Startbahn dann in Betrieb sein.

Foto: Reuters / TOBY MELVILLE

London – Die dritte Piste für Wien-Schwechat ist bei weitem nicht das störrischste Flughafenprojekt der Geschichte. Das englische Parlament hat zwar gerade in einer hitzigen Abstimmung den Bau einer dritten Startbahn auf dem Londoner Flughafen Heathrow beschlossen. Die Pläne für eine Erweiterung des größten Verkehrshubs Europas sind jedoch seit 20 Jahren hochumstritten.

Der Londoner Bürgermeister Sadiq Khan, mehrere Gemeinderäte und Greenpeace kündigten an, rechtlich gegen die Entscheidung vorgehen zu wollen. Ein Dutzend Demonstranten, die sich in der zentralen Lobby des Parlaments aus Protest gegen die Erweiterung auf den Boden gelegt hatten, brachten die Stimmung vieler auf den Punkt.

Obgleich das Projekt mit einer eindeutigen Zustimmung im britischen Unterhaus eine gewaltige Hürde überwunden hat, wird es noch diverse Planungsinstanzen passieren müssen. Sollte das Vorhaben tatsächlich grünes Licht bekommen, wäre das Ergebnis die Errichtung der ersten großen Startbahn im Südwesten von England seit dem Zweiten Weltkrieg. Verkehrsminister Chris Grayling sprach von der "größten Transportentscheidung einer Generation". Die kontroverse Flughafenerweiterung, die 14 Milliarden Pfund (etwa 20,6 Milliarden Euro) kosten soll, soll ausschließlich mit privaten Geldern finanziert werden.

Befürworter jubeln, Gegner toben

Das Hauptargument für eine Erweiterung von Heathrow ist die positive Wirkung auf das Wirtschaftswachstum Großbritanniens. Die Regierung erhofft sich, dass die Expansion längerfristig 74 Milliarden Pfund einbringt. Etwa 100.000 neue Jobs sollen entstehen.

Befürworter verweisen ebenfalls auf immer knapper werdende Kapazitäten bei stetig steigenden Passagierzahlen und dringend benötigte Investitionen in Heathrows Wettbewerbsfähigkeit. Ab 2026 sollen dank des dritten Runways täglich 700 Flugzeuge zusätzlich von Heathrow starten. Bei einer Auslastung von 99 Prozent könnte der Flughafen mit drei Startbahnen bis zu 740.000 Flüge pro Jahr abwickeln – mehr als eine Verdoppelung der Flüge im Jahr 2017. Heathrow verspricht sich, so besser mit europäischen Megaflughäfen wie Paris, Amsterdam und Frankfurt konkurrieren zu können. Ein sechseinhalbstündiges Nachtflugverbot soll Millionen von Anwohner entlasten.

Die Gegenseite argumentiert mit Umweltverschmutzung, einer höheren Lärmbelastung und falscher Städteplanung gegen eine Vergrößerung von Heathrow. Prognosen zufolge sollen die Ausbaupläne bis 2050 einen 15-prozentigen Anstieg der Luftverkehrsemissionen mit sich bringen, sowie 2,2 Millionen Menschen im Umfeld von Heathrow erhöhtem Lärm aussetzen.

Gegner betonen auch, dass der Mega-Hub-Flughafen ein Auslaufmodell sei, das angesichts der wachsenden Anzahl kleinerer Billigairlines, die meist von kleineren Flughäfen am Stadtrand starten, nicht mehr ins moderne Stadtbild einer Metropole wie London passe. Stattdessen solle man den Verkehr auf Londons insgesamt sechs Flughäfen verteilen und in bessere innerstädtische Transportverbindungen investieren.

Mehrere Hundert Häuser werden der neuen Startbahn wohl weichen müssen. Labours Finanzchef John McDonnell, dessen Wahlkreis davon betroffen wäre, sagte, einige Dörfer, die tausend Jahre alt seien, würden durch die Pläne ausgewischt.

Politische Brisanz

Doch der Fall Heathrow ist vor allem ein politischer Streit, der sowohl die Tories als auch die Labour-Partei seit Jahren spaltet. 415 Parlamentarier stimmten für das Bauprojekt, 119 dagegen. Die konservative Regierung von Theresa May hatte einen "three-line whip" angeordnet – eine strikte Anweisung, in Einhaltung der Pro-Heathrow-Parteilinie abzustimmen. Insgesamt rebellierten acht Tory MPs gegen die Direktive, darunter zwei ehemalige Minister. Außenminister Boris Johnson, der prominenteste Kritiker der Pläne, fehlte bei der Abstimmung am Montag, da ihm der Antritt einer Dienstreise ins Ausland wohl eleganter erschien, als sich seiner eigenen Parteiführung zu widersetzen.

Zuletzt hatten die Ausbau-Pläne durch das Argument Auftrieb erhalten, dass Großbritannien nach dem Brexit seine Infrastruktur für den internationalen Handel verbessern müsse. (Jedidajah Otte, 26.6.2018)