Folter war nicht nur im 16. Jahrhundert, wie auf dieser Darstellung, eine gängige Praxis. Ihre Existenz wird nach wie vor häufig geleugnet.

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Der römische Dichter Plautus befand vor über 2000 Jahren: "Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf." Das gilt leider bis heute: Folter gehört weltweit zur Tagesordnung. Laut einer Studie von Amnesty International ist das in 141 Ländern der Fall. Offiziell ist damit natürlich niemand einverstanden: "Laut Völker- wie Gewohnheitsrecht ist Folter universell und absolut verboten", betont Moritz Birk vom Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenrechte in Wien.

"Es gibt keine Situation, in der Folter gerechtfertigt ist." Dennoch kommt sie immer wieder zum Einsatz – und nicht bloß in Ausnahmefällen wie den besonders rabiaten Auswüchsen der Terrorismusbekämpfung. Birk: "Folter ist ein weltweit verbreitetes Problem, das auch im ganz normalen Strafjustizsystem existiert."

Seit 1987 die Antifolterkonvention der Vereinten Nationen verabschiedet wurde, haben 160 Staaten dieses Übereinkommen ratifiziert. Von vielen Ländern ist das aber nur ein Lippenbekenntnis: Amnesty International zufolge wird in 79 dieser Nationen weiterhin gefoltert.

Folter schädigt jedoch nicht nur die Betroffenen in enormem Maß, sondern auch eine Gesellschaft insgesamt: Wenn solche Verfahrensweisen Schule machen, wird das Vertrauen der Bürger in das eigene Rechtssystem und seine Exekutive nachhaltig zerstört. Wie dieser Zustand langfristig verändert werden kann, damit beschäftigt sich Birk als Teamleiter der Abteilung für Menschenwürde und öffentliche Sicherheit, die Staaten und NGOs bei der Folterprävention berät.

Gewalt bei Demos und in Haft

Gemeinhin bezeichnet Folter das Quälen von Menschen, um widerrechtlich Informationen zu erlangen. Die Betrachtungsweise von Birk und seinen Kollegen geht aber weit über diesen engen Definitionsbegriff hinaus: "Wir beschäftigen uns mit unmenschlicher Behandlung insgesamt. Dazu gehört auch die exzessive Gewaltanwendung bei Demonstrationen oder der Strafvollzug in unhygienischen und überfüllten Haftanstalten."

Wissenschaftlich betriebene Folterprävention versteht sich daher als weitreichende Grundlagenforschung, um politischen und sozialen Praktiken das theoretische Fundament zu liefern. "Um ein derartig großes Problem wie Folter gut lösen zu können, muss man genau wissen, wie das Problem überhaupt aussieht und was die Ursachen dafür sind."

Um Forscher, NGOs und politische Entscheidungsträger zu vernetzen, versuchen Birk und sein Team nun eine digitale Datenbank aufzubauen: In diesem "Atlas of Torture", für den noch bis 13. Juli in einer Crowdfundingaktion Geld gesammelt wird, soll die Foltersituation eines jeden Landes abgebildet und fortlaufend mit neuen Informationen ergänzt werden. Die Grundlage der Datenbank bildet eine Dokumentensammlung aus einem unlängst abgeschlossen Projekt, das der Wissenschaftsfonds FWF finanziert hat.

Verschleiert und verleugnet

Die größte Schwierigkeit für die Wissenschafter ist, dass man es mit einem Forschungsgegenstand zu tun hat, den vor allem die Täter gerne im Verborgenen halten wollen und dessen Existenz von öffentlicher Seite häufig geleugnet wird.

"Zu ermitteln, wie die Foltersituation sich wirklich darstellt, ist oft sehr schwierig", bedauert Birk. Gerade in den Ländern, in denen Folter zur Tagesordnung gehört, versteht man es auf perfide Weise besonders gut, solche Taten zu verschleiern. Gerade von einer durch solche Methoden eingeschüchterten Bevölkerung hört man wenig Beschwerden.

Jedoch sei Folter nicht immer ein bewusst eingesetztes Druckmittel – häufig kommt es laut Birk auch zu solchen Vorfällen, weil die Ordnungshüter nicht ausreichend ausgebildet sind: "Wenn es an professionellen Kapazitäten fehlt und Polizisten nicht wissen, wie sie man eine Ermittlung vernünftig durchführt, werden dann brachiale Methoden angewandt, um an Ergebnisse zu kommen."

So zeigt sich grundsätzlich, dass der größte Feind der Folter die Information ist: In den Ländern, in denen Strafverfahren einer umfassenden Transparenz unterliegen und somit auch die Sicherheitsbeamten unter Beobachtung stehen, gebe es weitaus weniger solcher Vorfälle: "Folter kommt dort am seltensten vor, wo es ein demokratisches Verständnis dafür gibt, dass die Polizei zwar das Gewaltmonopol besitzt, sie aber auch die Verantwortung hat, es im Sinne der Bürger einzusetzen." (Johannes Lau, 28.6.2018)