Was als "Borkenkäfer" bezeichnet wird, ist genau genommen meist ein Buchdrucker (hier im Bild) oder ein Kupferstecher. Ihre Artgenossen vernichteten allein 2017 3,5 Millionen Festmeter Holz.
Foto: Bundesforschungszentrum für Wald

Die frühsommerlichen Temperaturen im heurigen Frühling mögen Wanderer und Wassersportler gefreut haben – in Waldbesitzern dürften sie bestenfalls gemischte Gefühle ausgelöst haben: Die frühe Wärme liefert optimale Bedingungen für eine massenhafte Vermehrung des Borkenkäfers. Schon im Vorjahr waren die Holzverluste extrem, und heuer könnte es noch schlimmer werden.

Was salopp als "der Borkenkäfer" bezeichnet wird, umfasst in Wirklichkeit eine ganze Unterfamilie (Scolytinae) der Rüsselkäfer, die allein in Europa mit mehr als 150 Arten vertreten ist. Sie befallen verschiedene Baumarten, doch die beiden in unseren Breiten wichtigsten – der Buchdrucker (Ips typographus) und der Kupferstecher (Pityogenes chalcographus) – bevorzugen Fichten.

Sie bohren sich in deren Rinde und verpaaren sich dort. Die Weibchen legen unter der Rinde lange Gänge an, in denen sie ihre Eier ablegen. Sowohl die erwachsenen Käfer als auch die Larven fressen am Bastgewebe, in dem die Nährstoffe des Baumes transportiert werden, und bringen ihn dadurch zum Absterben.

Bis zu drei Käfergenerationen pro Jahr

Der Buchdrucker ist etwa fünf Millimeter groß und bildet ein bis drei Generationen pro Jahr. Nach der Überwinterung in der Rinde fliegen die erwachsenen Käfer im April und Mai aus, ihre Nachkommen je nach Witterung und Höhenlage von Juni bis August. In warmen, trockenen Sommern gibt es noch eine weitere Generation und bei entsprechend hohen Temperaturen sogar noch eine dritte.

Der mit zwei Millimetern deutlich kleinere Kupferstecher schwärmt meist etwas später als der Buchdrucker und bildet maximal zwei Generationen pro Jahr, hat aber eine ganz ähnliche Lebensweise und ist nicht weniger gefährlich für Fichtenwälder – besonders in tiefen Lagen.

In höheren Lagen, wo die Fichte natürlich vorkommt, sind die Temperaturen meistens zu niedrig, um ein Massenauftreten der Borkenkäfer zu erlauben. Und gegen einen gemäßigten Käfer-Ansturm kann sich ein gesunder Baum wehren, indem er die Einbohrlöcher und Gänge der Insekten mit Harz verstopft. Ökologisch gesehen ist der Borkenkäfer ein wichtiger Bestandteil der Waldverjüngung: Alte oder sonst wie angeschlagene Bäume werden von ihm und anderen Insekten sowie Bakterien und Pilzen aufgearbeitet. Zahlreiche Vogel- und Säugetierarten, die solches Totholz zum Überleben brauchen, profitieren davon.

Große regionale Unterschiede

In den Wirtschaftswäldern Mitteleuropas ist die Fichte allerdings die wichtigste und in vielen Bereichen einzige Baumart, auch in den Tälern. Wirklich gebaut ist sie für die dortigen Klimaverhältnisse aber nicht, und speziell länger anhaltende Trockenheit schwächt ihre Widerstandskraft gegen zusätzliche Stressfaktoren wie eben auch die Borkenkäfer. Kommen dazu extreme Wetterereignisse wie Stürme, die innerhalb kürzester Zeit viele Bäume umwerfen, finden die Käfer optimale Bedingungen vor.

Im Vorjahr mit seiner ungewöhnlich trockenen ersten Hälfte und Hitzewelle im Juni fielen 3,5 Millionen Festmeter Holz den Borkenkäfern zum Opfer. Das ist der höchste Wert seit Beginn der Aufzeichnungen. Heuer scheint sich Ähnliches anzubahnen.

Grafik: Bundesforschungszentrum für Wald

Allerdings gibt es regionale Unterschiede: "Heuer sind der Norden und der Osten Österreichs besonders stark betroffen", wie Peter Mayer vom Bundesforschungszentrum für Wald (BFW) sagt. "Der Winter war hier extrem trocken: Stellenweise gab es bis zu 55 Prozent weniger Niederschlag als gewöhnlich." Dazu kommen Sturm- und Eisbruchschäden, die nicht rechtzeitig zum neuen Käferjahr vollständig beseitigt werden konnten.

Um den Schaden durch Borkenkäfer möglichst gering zu halten, müssen in Wirtschaftswäldern alle von den Käfern befallenen Bäume gefällt und entfernt oder vollständig entrindet werden. Beim Entrinden werden nämlich auch das Bastgewebe und die darin lebenden Käfer entfernt.

Keine Entspannung der Lage

Mit einer Entspannung der Lage ist angesichts steigender Temperaturen, zunehmender Trockenheit und häufigeren Wetterextremen eher nicht zu rechnen: "Für die Fichte wird es in Zukunft besonders schwierig werden", wie Peter Mayer vermutet, aber die wird in den österreichischen Tieflagen ohnedies kaum noch neu gepflanzt.

Das BFW rät den Forstleuten stattdessen zu einem Baumartenmix. "Wir wissen noch nicht, wie verschiedene Arten mit dem Klimawandel zurechtkommen", erklärt Mayer, "daher empfehlen wir eine Risikostreuung – ähnlich wie bei Wertpapieren."

Um die Entwicklung von Borkenkäfern besser vorhersagen zu können, suchen Christian Stauffer und Martin Schebeck vom Institut für Forstentomologie, Forstpathologie und Forstschutz der Wiener Universität für Bodenkultur (Boku) mit finanzieller Unterstützung des FWF nach Zusammenhängen zwischen genetischer Ausstattung und Verhaltensweisen des Buchdruckers und des Kupferstechers.

Der besonders robuste Kupferstecher

Wie sich dabei herausgestellt hat, ist der Kupferstecher in beidem variabler: "Wenn die Buchdruckerlarven in den Winter kommen, sterben sie bei extremen Temperaturen", führt Stauffer aus. "Der genetisch vielfältigere Kupferstecher hingegen kann in allen Lebensphasen erfolgreich überwintern." Auch in der Wirtsauswahl ist er nicht so heikel: Neben Fichten befällt er zum Beispiel auch Kiefern.

Besonders interessieren sich die Boku-Forscher für die Diapause des Buchdruckers, eine Art Winterruhe, während derer die Käfer ihren Stoffwechsel zurückfahren und von Reservestoffen leben. "Es gibt innerhalb der Art Individuen mit einer obligaten Diapause, die genetisch fixiert ist und unter allen Umständen eintritt", erklärt Schebeck, "und Individuen mit fakultativer Diapause, die erst durch Umweltfaktoren, wie die Tageslänge, ausgelöst wird." Die Diapausierer können bei ungünstigen Umweltbedingungen ihre Entwicklung bis zum erwachsenen Käfer nicht vor dem Winter abschließen, dafür aber unter günstigen Umständen mehr Generationen hervorbringen.

"Das Wissen, welcher Anteil einer Population welche Diapause-Strategie verfolgt", so Schebeck, "trägt massiv zur Genauigkeit verschiedener Modelle bei, die das Schadpotenzial der Käfer vorhersagen." (Susanne Strnadl, 30.6.2018)