Wien – In der Rangordnung der Gesetzesbrecher rangiert ein Räuber eher auf den hinteren Plätzen. Das Delikt erfordert in den meisten Fällen keine besonderen handwerklichen Fähigkeiten oder Intelligenz, sondern basiert auf Gewalt oder deren Androhung. Noch dümmer wird es allerdings, wenn man einen Überfall finanziell eigentlich nicht notwendig hat – wie der 17-jährige Agonis A., der mit drei Mitangeklagten vor dem Schöffengericht unter Vorsitz von Alexandra Skrdla sitzt.

Skrdla, Beisitzer Norbert Gerstberger und A. kennen einander bereits – erst im Juli 2016 verurteilten sie den Teenager wegen schweren Raubes zu drei Jahren Haft. Und sie sahen trotz einer weiteren offenen Vorstrafe von zwölf Monaten damals bedingt davon ab, ihn ins Gefängnis zu schicken. A. sollte die Chance bekommen, seine begonnene Lehre weiterzumachen und mit Bewährungshilfe zurück in ein geordnetes Leben zu finden.

Die Lehre machte er, die Termine bei der Bewährungshilfe interessierten ihn weniger – er nahm sie nur unregelmäßig wahr. Er lebte in intakten sozialen Verhältnissen, bekam Geld von den Eltern und hielt sich von strafrechtlichen Problemen fern. Bis zum 2. Februar, als er Urlaub hatte. Die Vorsitzende zieht ihre Schlussfolgerung: "Ihnen ist offenbar an einem Tag, an dem Sie nicht arbeiten, fad im Hirn!" Verteidiger Philipp Wolm bietet eine ähnlich bodenständige Erklärung: "Er ist einfach ein junger Trottel."

Überfallplan des Stiefonkels

A. traf sich an diesem Freitag mit seinem Freund Armend S., dem unbescholtenen 17-jährigen Zweitangeklagten, in einem Einkaufszentrum in Wien-Donaustadt. S. wiederum hatte von seinem Stiefonkel, dem Erstangeklagten Shemshi S., 26 Jahre alt und zweifach vorbestraft, telefonisch ein Angebot bekommen. "Er hat uns Vorschlag gegeben, dass wir viel Geld bekommen in kurzer Zeit", erinnert sich der Zweitangeklagte.

Der extrem gefinkelte Plan: Der Überfall auf ein Handygeschäft, um Mobiltelefone zu erbeuten und diese zu verkaufen. Zu diesem Zwecke fuhr das Trio dann noch zum Viertangeklagten Thomas H. (18), unbescholten, aber Besitzer einer CO2-Waffe, die einer Maschinenpistole Marke Mini Uzi nachgebildet ist.

Die Verteidigerriege Christian Werner, Mirsad Musliu, Philipp Wolm gemeinsam mit Werner Tomanek sowie Florian Kreiner beteuern, bis auf H. hätten alle geglaubt, es handle sich um eine Attrappe, mit der man nicht schießen könne. Damit würden die Mandanten nur wegen Raubes und nicht, wie angeklagt, wegen schweren Raubes verurteilt werden.

Eine Stunde im Park nachgedacht

Nachdem das Trio die Waffe von H. übernommen hatte, fuhr auch dieser mit nach Wien-Donaustadt, wo man sich umgezogen und Sturmhauben mit Sehschlitzen ausgestattet hat. Danach saß die Gruppe eine Stunde in einem Park gegenüber dem geplanten Ziel und diskutierte über das Vorhaben. "Ist es eine gute Idee, ist es eine schlechte Idee, bringt das überhaupt etwas?", hat sich beispielsweise der Zweitangeklagte S. gedacht, schildert er.

Auch Drittangeklagter A. beteuert, er sei nicht Feuer und Flamme gewesen. Der Erstangeklagte habe ihn aber überzeugt: "Komm, ich kenn mich da aus, es wird nix passieren, das dauert 30 Sekunden." Auch H. wollte eigentlich nicht, verrichtete dann aber doch Aufpasserdienste, während das Trio ins Geschäft ging, den Besitzer bedrohte und mit einem mitgebrachten Hammer eine Vitrine einschlug, um sechs iPhones zu rauben.

Je zwei bekamen die ersten drei Angeklagten, H. das Versprechen, einen Teil des Verkaufserlöses zu erhalten. Der Absatz gestaltete sich schwieriger als geplant: Drittangeklagter A. übergab daher seine beiden Mobiltelefone gegen 22 Uhr an Erst- und Zweitangeklagten, da ihn sein Vater nach Hause bestellt hatte. Der Zweitangeklagte wiederum hatte das Problem, dass er zu jung war, um die Beute zu verkaufen. Er dackelte also mit seinem Stiefonkel mit, der dafür auch noch Provision kassierte. Im Endeffekt blieben dem 17-Jährigen 500 bis 600 Euro.

CO2-Waffe im Extremfall tödlich

Der von Verteidiger Tomanek beantragte Schusssachverständige Ingo Wieser referiert, dass die von der verwendeten Waffe verschossenen Kugeln im Regelfall die Haut zwar nicht perforieren würden, ein Treffer ins Auge aber im Extremfall tödlich enden könnte. Ob sie eine Waffe im Sinne des Waffengesetzes sei, sei eine rechtliche Frage – die Vorsitzende bejaht diese, Tomanek nicht.

Dem Verdacht der "Kuscheljustiz" will sich der Senat nicht aussetzen lassen. Die nicht rechtskräftigen Strafen: Erstangeklagter S. sechs Jahre unbedingt; Zweitangeklagter S. 21 Monate, davon sieben unbedingt; Drittangeklagter A., der seit vier Monate seine drei Jahre verbüßt, bekommt weitere vier dazu, zusätzlich wird ein Jahr bedingt widerrufen; Viertangeklagter H. erhält zweieinhalb Jahre, zehn Monate davon unbedingt. (26.6.2018)