Der deutsche Innenminister und die Kanzlerin, wahrlich keine Liebesgeschichte. Beim Streit um die Migrationspolitik ist keine Lösung in Sicht ...

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  • CDU und CSU passen ohnehin nicht mehr zusammen.

Wenn man den Streit um die Zurückweisung von Flüchtlingen an den Grenzen betrachtet, stimmt das wohl. Doch vergessen wird, dass die CDU und CSU in vielen anderen politischen Bereichen natürlich in eine Richtung gehen. Sie wollen Familien stärken, Polizei und Bundeswehr besser ausstatten. Im Bundestag dürfen sie seit 1949 eine Fraktionsgemeinschaft bilden, weil sie eben – wie es in der Geschäftsordnung heißt – "aufgrund gleichgerichteter politischer Ziele" nicht miteinander konkurrieren, sondern sich die Arbeit teilen: Die CSU sammelt in Bayern bei Bundestagswahlen die Stimmen ein, die CDU in den anderen 15 deutschen Bundesländern.

  • Kanzlerin Angela Merkel hätte es ohne die CSU viel besser.

Das mag sich Merkel in vielen Stunden auch schon gedacht haben. Andererseits: Die Kanzlerin profitiert von den CDU-Stimmen aus Bayern. Bei der Bundestagswahl 2005 kam die SPD auf 34,2 Prozent der Stimmen und war klar stärkste Partei. Einige aus der SPD leiteten daraus einen weiteren Anspruch auf eine Kanzlerschaft von Gerhard Schröder ab, da die CDU nur 27,8 Prozent erreicht hatte.

Doch mit den 7,4 Prozent, die die CSU eingefahren hatte, kam die Union doch auf Platz eins, und Merkel löste Schröder ab.

  • Auch in der CSU wären viele froh, Merkel loszuwerden.

Diese Überlegungen gibt es bis hinein in die CSU-Spitze. Dort stellt man ganz kühl folgende Rechnung auf: Die meisten AfD-Anhänger verachten Merkel zutiefst. Wenn sie nun nicht mehr da wäre, käme das bei AfD-Sympathisanten gut an, diese könnten bei der Landtagswahl im Herbst doch die CSU wählen.

Aber es denken eben nicht alle so. Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage für n-tv und RTL sind nur 38 Prozent der Bayern mit der Arbeit von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zufrieden, mit der von Merkel 43 Prozent. Selbst unter den CSU-Anhängern schneidet die Kanzlerin mit 61 Prozent besser ab als Söder. Viele Bayern schimpfen zwar auf Berlin, sind aber doch ganz froh, dass Merkel in Berlin im Kanzleramt sitzt.

  • Mit Seehofer und Merkel kann es keine Lösung mehr geben.

Jein. Natürlich dominiert der lange politische Streit. Die CSU will mit Blick auf die Bayernwahl im Oktober eine sehr viel restriktivere Asylpolitik als Merkel und notfalls einen nationalen Alleingang. Ihr Ziel: den Einzug der AfD in den Landtag zu verhindern.

Doch es gibt neben dem politischen auch ein tiefes persönliches Zerwürfnis zwischen Seehofer und Merkel, das bis 2004 zurückreicht. Damals wollte Merkel als Oppositionsführerin eine Kopfpauschale im Gesundheitswesen. Seehofer war ihr Fraktionsvize im Bundestag und lehnte das Modell ab. Er scheiterte und trat zurück, Merkel aber stieg auf. Das hat Seehofer nicht vergessen.

2005, als sie Kanzlerin wurde, wollte sie ihn nicht in der Bundesregierung haben, er ergatterte aber das Agrarressort. 2013 lehnte sie zunächst die CSU-Maut für Ausländer ab, ab 2015 geißelte er ihre Willkommenskultur, sprach von der "Herrschaft des Unrechts" und wollte eine Obergrenze erzwingen. Merkel ließ ihn auflaufen.

Auch die Kanzlerin hat eines nicht vergessen: dass Seehofer sie am CSU-Parteitag 2015 auf offener Bühne wie ein Schulmädchen abkanzelte. Allerdings wissen beide: Sie kommen nur gemeinsam aus diesem jetzigen Dilemma. Oder sie gehen gemeinsam unter.

  • Dann muss eben ein Trennungsbeschluss auf den Tisch.

Als "Geist von Kreuth" wird jener Trennungsbeschluss aus dem Jahr 1976 bezeichnet: Damals kündigte CSU-Chef Franz Josef Strauß im Wildbad Kreuth die Fraktionsgemeinschaft mit der CDU auf. Viele in der CSU möchten das heute auch tun. "Die damit verbundenen Risiken sind allerdings groß und letztlich unkalkulierbar, auch für die beiden Parteien", warnt der Politologe Thorsten Faas.

CDU und CSU wären dann Konkurrenten. Die CSU müsste in 15 Bundesländern erst mal Strukturen aufbauen, die CDU nur in Bayern, wo sie gegen die CSU antreten würde. Letztendlich würden sich die beiden gegenseitig Stimmen abjagen. 1976 hat CDU-Chef Helmut Kohl übrigens mit einem "Einmarsch" der CDU in Bayern gedroht. Das wirkte. Wenige Wochen später wurde der Trennungsbeschluss zurückgenommen. (Birgit Baumann aus Berlin, 26.6.2018)