Manchmal, an sonnig-heißen Wochenendnachmittagen etwa, geht es auf der Alten Donau beinahe so zu wie auf der Südosttangente. Oder auf dem Gürtel: Viel Platz ist da nicht – und schnell kommt niemand weiter. Freilich: Der Vergleich ist gemein. Schließlich wollen die Menschen, die rund ums Gänsehäufel unterwegs sind, in der Regel gar nicht irgendwohin.

Und schon gar nicht schnell: Halbwegs aufrecht zu stehen und nicht ins Wasser zu fallen reicht meist. Für den Anfang. Erst wenn sie – etwa nach zehn Minuten – merken, dass das gar nicht so schwer ist, werden sie waghalsiger: stehen aufrechter. Verlassen den unmittelbaren Uferbereich. Stochern nicht ängstlich-schüchtern nur alibihalber, sondern stechen das Paddel selbstbewusst und kraftvoll ins Wasser – und fahren.

Stand-up-Paddeln ist im Mainstream angekommen.
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Aber viel wichtiger: Sie lachen. Wer lacht, weil er oder sie Erfolgserlebnisse hat, steckt andere an: Zog vergangenen Sommer meist nur eine Handvoll Stand-up-Paddler ihre Runden ums Gänsehäufel, sind es heuer Dutzende. Und hätte der lokale Verleiher mehr Bretter, wären auch die im Einsatz – dennoch würden Kunden an Land warten.

Nicht nur auf der Alten Donau – überall. Auf Bade- und Baggerseen ebenso wie auf Flüssen. Das Surfbrett mit dem stehend-rudernden Menschen drauf ist im Mainstream angekommen. Ist Teil des Wasser-Sommer-Settings.

Generation Selfie

Aus einem einfachen Grund: "Stand-up-Paddeln ist einfach und schnell zu erlernen. Es ist nicht anstrengend, aber doch Sport – und es macht sofort Spaß", analysiert Christian Taucher, kann sich aber einen Seitenhieb nicht verkneifen: "Weil man damit den Surferlifestyle präsentiert, ohne Wellenreiten lernen zu müssen, passt es perfekt zur Generation Selfie."

Taucher meint das nicht so böse, wie es klingt: Der 37-Jährige ist "mehr als froh" über den Hype. Weil der hauptberuflich als Sportlehrer Tätige "alles begrüßt, was Menschen in Bewegung bringt". Aber vor allem, weil er Obmann der Austrian Sup Federation ist – also jenes Verbandes, in dem die rund 500 Wettkampf-Stand-up-Paddler Österreichs organisiert sind. "Suppen", sagt Taucher, sei "wie laufen: Der Einstieg ist einfach, und wenn es viele tun, profitiert auch die Wettkampfszene."

Die fristet in Österreich nämlich ein kümmerliches Dasein: Auf Newsletter oder Aussendungen kam aus Sportredaktionen höchstens eine Frage: "Was ist das?" Und das, obwohl ein Star der internationalen Sup-Welt aus Österreich kommt: Der 45-jährige Peter Bartl gewann in den letzten zehn Jahren etliche der wichtigsten Rennen und Bewerbe. Er ist Sup-Profi. "Eine echte Ikone", sagt Taucher.

Wer den richtigen Mix aus Balance, Kraft und Technik drauf hat, fährt mit zehn km/h oder mehr über die Wellen.
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Bartl pendelt zwischen Fuerteventura und der Steiermark. In Österreich kann man ihm auf der Mur beim Training auf die Finger, aber vor allem auf Arme, Schultern und Rumpf schauen: Darauf kommt es beim Stehpaddeln nämlich an – und wer den richtigen Mix aus Balance, Kraft und Technik drauf hat, fährt mit zehn km/h oder mehr über die Wellen.

Lifestylestehpaddeln ist gemütlicher. Es hat mit Wettkampf-, Wildwasser- oder Big-Wave-Suppen nur eines gemein: die Geschichte. Die begann nämlich im Gegensatz zu einem verbreiteten Irrglauben nicht damit, dass Wellenreitlegenden wie Robbie Naish zum leichteren Erreichen der großen Wellen aufs Meer hinauspaddelten oder dass Surflehrer zum Beobachten ihrer Schüler aufrecht standen, sondern früher.

Viel früher: Polynesische Fischer sind vor Tahiti seit Jahrhunderten stehend unterwegs. Stehend vorangetriebene Bambusflöße sind in Asien bis heute gebräuchlich. Auch auf Hawaii war Stehrudern lange bekannt, aber nicht jedem gestattet: Es war der Sport des Königs – nur, wer seine ausdrückliche Erlaubnis hatte, durfte aufstehen.

Kippsicher

Dem Sprung zum Breiten- und Lifestyleding stand aber eines im Weg: das Brett selbst. "Mein Raceboard ist 4,10 Meter lang. Das passt in kein Auto, keinen Lift und keine Wohnung", lacht Verena Daubal. Die 40-Jährige wurde vor zehn Jahren "infiziert". Heute ist sie mehrfache Wiener Sup-Landesmeisterin und Betreiberin von Österreichs größtem Sup-Portal und -Medium www.standuppaddeln.at.

Im Jedermensch-Sup-Segment, betont sie, gelten aber andere Parameter: 80 Prozent der Normalo-Boards sind heute aufblas- und leistbar. Kosteten starre Boards früher ab 2.500 Euro, ist man heute beim Diskonter um weniger als 300 Euro dabei. Vor diesen Brettern warnt Daubal aber: "Die haben für Erwachsene zu wenig Volumen, und man kann sie nicht hart genug aufblasen."

Mit dem Boom vervielfachte sich nicht nur die Zahl der Akteurinnen und Akteure, sondern auch die der Bretter, Bewerbe, Disziplinen und Angebote. Da den Überblick zu bewahren ist eine echte Aufgabe. Schließlich gibt es heute unter anderem Anfänger- und Renn-, Wildwasser-, Touren- und Angel- oder Frauen-, Familien-, Nimm-den-Hund-mit- oder auch spezielle Sup-Yoga-Boards.

Auch bei Fragen zu Kursen, Revieren, Respekt und Regeln sollte man sich auskennen: "Wenn nur drei oder vier Leute etwas tun, stört das ja niemanden – aber wenn in einem Naturschutzgebiet hunderte herumfahren, die keine Ahnung von den Spielregeln haben, kommt rasch der Moment, wo jemand 'Verbieten!' schreit." (Thomas Rottenberg, 7.2018)

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