Die blonden, hüftlangen Haare legen sich in Wellen um ihren Körper, wenn sie lacht, entblößen ihre Lippen zwei ebenmäßige Zahnreihen, eine oben, eine unten. Die verstärkten Wimpernkränze schauen unter den frisierten Augenbrauenbögen hervor. Ihr Name? Tut nichts weiter zur Sache, die blonde Schönheit entspricht dem Prototyp eines ganzen Berufsstandes: der Influencerin.

Sie ist heute Stilvorbild, Ratgeberin und beste Freundin in einem. Ihr Job gilt vielen Teenagern als Traum: Was zur Hochzeit des Musikfernsehens die MTV- und Viva-Moderatorinnen waren, sind heute die smarten Geschäftsfrauen mit den gebräunten straffen Bäuchen und den schön frisierten Mähnen auf Instagram oder Youtube.

Die deutsche Influencerin Julia Fröhlich alias "xLaeta" hat zusammen mit einem Kosmetikunternehmen das Beautylabel nju auf den Markt gebracht.
Foto: obs/Mibelle Group/GERRY EBNER

Nur das Äußere der Vorbilder hat der Zeitgeist korrigiert. Nach verrückten Viva-Hühnern wie Charlotte Roche, die mit Piercings und bunten Lidschatten ihre vermeintliche Einzigartigkeit hochhielten, sind seit einiger Zeit ebenmäßige Projektionsflächen gefragt. Heute lohnt sich die Investition in blondierte Wasserwellen: An den Lippen der Influencerinnen hängen auf Instagram bekanntlich Millionen Fans. Und ab und an lassen die sich von ihnen zum Kauf von Cremes und Tigeln, Waschmitteln und neuen Schuhen überreden.

Im letzten Jahr drehten die beiden Macher des deutschen Blogs "Dandydiary" ein Video, das die Uniformität der Influencerinnen vorführte.
Dandy Diary

Der Ruf der neuen Vorbilder ist allerdings nicht ganz so makellos wie ihr Make-up: Nicht nur, dass ihnen Inhaltslosigkeit vorgeworfen wird – die serielle Schönheit der Influencerinnen ist vielen suspekt: Diese Lippen, diese Haare, die sehen doch alle gleich aus, wie furchtbar! Der Vorwurf der visuellen Austauschbarkeit ist so neu nicht. Wir erinnern uns: Schon den Jus-Studentinnen mit den hochgestellten Polokrägen und den Perlenohrringen wurde ihr uniformes Äußeres zum Vorwurf gemacht.

Dabei sollte die gleichförmige Schönheit von Kleidung und Posen nicht unterschätzt werden. Dass auch ihr ein Zauber innewohnt, hat zum Beispiel der holländische Fotograf Hans Eijkelboom wiederholt vorgeführt. Zuletzt inszenierte er Bilder für die Zusammenarbeit des Jeanslabels Diesel mit dem belgischen Designer Glenn Martens.

Gleich und gleich gesellt sich gern: Das Lookbook von Hans Eijkelboom für die Kooperation von Diesel mit dem belgischen Designer Glenn Martens.
Foto: Hans Eijkelboom für Diesel

Bis jetzt hat sich Eijkelboom den Wasserwellen der Influencerinnen zwar noch nicht genähert. Aber vielleicht wäre das was. Nur beeilen müsste sich der Fotograf. Vielleicht ist ja demnächst plötzlich wieder Individualität angesagt, Hilfe! (Anne Feldkamp, 28.6.2018)