Mitglieder der NGOs SOS Méditerranée und Ärzte ohne Grenzen bei einer Rettungsaktion im Mittelmeer vor wenigen Tagen.

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Klar erscheint eines in diesen Tagen der kleinen, großen, deutschen wie europäischen Asyl- und Migrationsgipfel: In das Thema ist Bewegung gekommen – wenn auch wahrlich nicht in eine Richtung, die für Flüchtlinge und Migranten von Vorteil wäre.

Tatsächlich hängt inzwischen allein schon der Überlegung, dass Änderungen der Asyl- und Migrationsregime in der EU und deren Mitgliedsländern auch Verbesserungen für die auf dem Weg befindlichen Menschen bringen sollten, der Geruch angeblicher "Gutmenschigkeit" an. Wenn nicht gar jener eines "Verrats" nationaler Interessen, die – bedingt durch den Aufstieg der politischen Rechten – als europäische Interessen missverstanden und mit möglichst effizienter Fremdenabwehr gleichgesetzt werden.

Angesichts dessen ist es schwierig, konstruktive Ideen für mögliche Auswege aus dem asyl- und migrationspolitischen Schlamassel in Europa zu formulieren. Denn dieses ist vor allem durch Schwächen der europäischen Realverfassung bedingt, die von den rechten Feinden einer offenen Gesellschaft klar erkannt wurden.

Keine aktive Migrationspolitik

So etwa, dass es in Europa bisher nirgendwo – auch auf EU-Ebene nicht – möglich war, die fatale Vermischung von Asyl- und Migrationsangelegenheiten zu beenden. Das jedoch ist überfällig, denn tatsächlich bleibt den allermeisten Drittstaatsangehörigen, die es nach Europa zieht, derzeit nichts anderes übrig, als es auf der Asylschiene zu probieren. Eine aktive Migrationspolitik gibt es nicht.

Dieser Umstand übt auf die Asylbehörden in den EU-Ländern einen immensen Druck aus. Die damit verbundenen Polemiken gegen "asylmissbrauchende illegale Migranten", etwa der österreichischen Bundesregierung, schädigen die historische Errungenschaft des internationalen Asylrechts mehr und mehr. Auch wenn es beim heutigen Stand der Dinge fast unvorstellbar erscheint: Um die Flüchtlingshetze abzuschwächen, braucht es in der EU ein zeitgemäßes Einwanderungsregime.

Vernebelter Blick

Auch steigert die nach wie vor bestehende nationale Oberhoheit der EU-Mitgliedsstaaten über Asyl- und Migrationsangelegenheiten die nationalistische Aufladbarkeit des Themas extrem. Das vernebelt den Blick auf den Umstand, dass die Außengrenzen der Union gemeinsame Grenzen sind; Grenzen, für die bewusste Europäerinnen und Europäer eine gemeinsame Verantwortung haben – sowohl was ihren Schutz als auch was den Respekt vor den Grundrechten Ankommender angeht. Auch jener Menschen, die künftig in europäischem Auftrag schon weit vor der EU-Grenze aufgehalten werden dürften.

Auf die schon vor dem EU-Migrationsgipfel kursierenden Pläne übertragen heißt das, dass etwaige Aufnahmezentren in Nordafrika oder weiter im afrikanischen Süden, wenn überhaupt, nur unter den Bedingungen akzeptabel sind, die das Flüchtlingshilfswerk der Uno (UNHCR) und die Internationale Organisation für Migration (IOM) einfordern. Das Gleiche gilt für Rückführungsaktionen in Nordafrika gestrandeter Migranten. IOM hätte hier Expertise, aber laut Mandat nur für freiwillige Rückfahrten.

Der Schlüssel für Verbesserungen läge somit nicht in weniger, sondern in mehr Menschenrechtsrespekt sowie mehr EU in Europa, nicht in einem "Europa der Völker", das sich zusehends abschottet. Ob dazu die Zeit noch reicht, ist allerdings unsicher. (Irene Brickner, 28.6.2018)