Ordentlich durchgebeutelt wird derzeit Autoaktien. Angesichts des schwelenden Handelskonflikts könnte es aber noch schlimmer kommen.

Foto: APA/AFP/HAIDAR MOHAMMED ALI

Das Leben auf der Überholspur ist für den europäischen Autosektor schon länger vorbei. Kaum hatten die Investoren den Dieselskandal halbwegs verdaut, war mit dem aufkeimenden Handelsstreit der nächste Bremsklotz in Sicht. US-Präsident Donald Trump stellte den Autobauern am alten Kontinent die Rute ins Fenster, und zwar in Form von Einfuhrzöllen. Diese sollen von derzeit 2,5 auf künftig 20 Prozent erhöht werden. Die Folge: Europas Auto-Branchenindex liegt seit dem Jahreshoch im Jänner fast ein Fünftel im Minus.

Ist das für Anleger schon die Gelegenheit, sich zu Schleuderpreisen bei Daimler, BMW und Renault einzukaufen? Nein, meinen die Experten von Raiffeisen Research, zumindest noch nicht. Denn in einer aktuellen Analyse gehen sie davon aus, "dass der Handelsstreit vorerst weiter eskalieren wird, schlimmstenfalls bis zur tatsächlichen Einführung solcher Zölle". Die Gewinnwarnung von Daimler aus der vergangenen Woche, die mit dem Handelsstreit begründet wurde, könnte also nur der Auftakt gewesen sein.

Zölle als Exportbremse

Denn obwohl die Ausfuhren in die USA im Vorjahr bereits um zwei Prozent gesunken sind, bleibt das Land wichtigster Exportmarkt für Europas Autobauer. Mehr als ein Fünftel aller Ausfuhren geht in die USA, dahinter kommt China mit einem Anteil von etwas über zehn Prozent. Da das Reich der Mitte die Einfuhrzölle für Autos aus der EU auf 15 Prozent verringern wird und die USA mit einer Erhöhung auf 20 Prozent drohen, dürfte sich das Verhältnis künftig zugunsten Chinas verschieben.

Allerdings gibt es auch ein pikantes Detail im automobilen Zollpoker, auf den die Raiffeisen-Analysten hinweisen: China plant, Einfuhren aus den USA, gewissermaßen als Retourkutsche, künftig mit 40 statt bisher 25 Prozent zu belasten. Dies würde aber vor allem die deutschen Erzeuger BMW und Daimler treffen, da beide ihre für den China-Export bestimmten Fahrzeuge, betroffen sind vor allem SUVs, in den Vereinigten Staaten produzieren. Raiffeisen zufolge liefern beide zusammen mehr Autos ins Reich der Mitte als alle US-Erzeuger zusammen – und hätten höhere chinesische Zölle als Wettbewerbsnachteil zu tragen. Wohl produzieren auch Daimler und BMW direkt im Reich der Mitte, diesbezüglich hat allerdings Volkswagen die Nase vorne.

Hoffen auf Einlenken

Letztlich geht Raiffeisen jedoch davon aus, dass es im Handelsstreit zu Kompromissen kommen wird, da es bei einer Eskalation nur Verlierer geben würde. Allerdings erwartet man, dass Trump die Entwicklung zunächst weiter an die Spitze treibt, zumal "das Thema Strafzölle bei seiner Kernwählerschaft gut ankommt". Bevor sich die Vernunft durchsetzen könne, müsse wohl noch weiterer ökonomischer Schaden eintreten und mehr Druck von US-Wirtschaftsvertretern und den Finanzmärkten kommen.

Für einen Einstieg in Europas Automobilbranche ist es aus Analystensicht also noch zu früh, zumal Raiffeisen Research erst Mitte Juni fast alle Aktienmärkte auf Verkauf herabgestuft hat. Im Zuge des Handelskonflikts sei eine weiter unterdurchschnittliche Entwicklung von Europas Autoaktien zu erwarten, obwohl die Branche bereits mit einem Bewertungsabschlag von fast 50 Prozent gegenüber dem Gesamtmarkt notiere. Eine Kaufgelegenheit ist laut Raiffeisen erst erreicht, wenn entweder der Handelskonflikt nachhaltig beigelegt wird oder eine weitere Eskalation zu einer generell deutlichen Aktienmarktkorrektur geführt hat. Bis dahin fehlt den Analysten zufolge aber noch ein Stück, dazu müssten die Aktienbörsen noch deutlich mehr Anzeichen von Angst aufweisen. (Alexander Hahn, 30.6.2018)