Es gibt dieser Tage ganz offensichtlich zwei Deutschlands. In dem einen – dem realen – leben Menschen, die folgende Fragen umtreiben: Kann ich meine Miete demnächst noch bezahlen? Finde ich einen Kindergartenplatz für mein Kind? Wo bekomme ich Unterstützung bei der Pflege meiner Eltern?

Im anderen Deutschland hingegen kennt man nur ein Thema: Wie können wir Flüchtlinge abweisen? Wann machen wir die Grenzen dicht? Wie schützen wir uns vor einem Millionenansturm von Fremden, der allerdings nicht in Sicht ist? Nicht zu vergessen: Wie gewinnen wir die Landtagswahl? Das ist das Deutschland der CSU.

Natürlich kann man darauf verweisen, dass in der Politik, wie im echten Leben auch, Dinge nebeneinander herlaufen, dass Menschen in der Lage sind, sich um mehrere Aufgaben gleichzeitig zu kümmern. Doch dieses Kräftemessen zwischen Kanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer ist zerstörerisch und ebenso schrecklich anzusehen wie das Ausscheiden der Deutschen bei der WM. Wenn das mal kein böses Omen für den politischen Zank ist.

Erlaubt sei an dieser Stelle übrigens der Hinweis, dass Seehofer in Deutschland auch Sportminister ist – aber das nur nebenbei. Das Kräftemessen jedenfalls kostet die Spitzen der Regierung unendlich viel Kraft und Zeit, es ist ein abschreckendes Beispiel für den Umgang miteinander, es erschüttert das ohnehin nicht üppige Vertrauen in die Politik. Und es ist vollkommen überflüssig, denn wer auf die Spitze der Palme klettert, muss wissen, wie er wieder herunterkommt.

Das haben beide in ihrer Sturheit übersehen. Ja, es ist die CSU, die das Thema auf den Tisch geworfen hat und die in ihrem Furor nicht ausschließt, Merkel wegen einer einzigen politischen Frage zu zerstören. Aber Merkel trug das Ihre dazu bei, indem sie die CSU lange überhörte.

Im Fall von Merkel und Seehofer braucht es, um im Bild zu bleiben, nicht nur eine gemeinsame Leiter, sondern auch einen Blick, der deutlich weiter reicht als nur bis zur bayerischen Landtagswahl im Herbst. Der Bruch der Fraktionsgemeinschaft zwischen CDU und CSU wäre keine Marginalie, sondern würde nach fast 70 Jahren das politische System in Deutschland gravierend verändern.

Jene Parteien, die die stärkste Fraktion im deutschen Bundestag bilden, wären künftig Konkurrenten. Um sich vorzustellen, wie Neuwahlen ausgehen, ist nicht viel Fantasie vonnöten. Es werden jene Parteien profitieren, die – mit Recht – auf das Versagen von CDU und CSU verweisen. Man kann das natürlich alles so wollen und in Kauf nehmen. Oder man fängt jetzt endlich an, einen Kompromiss auszuknobeln, in dem sich beide Seiten finden.(Birgit Baumann, 27.6.2018)