Brüssel/Berlin/Wien – Optimistisch hat sich Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) vor dem EU-Gipfel in Brüssel gezeigt: "Ich glaube, dass es heute möglich ist, eine Trendwende in der Flüchtlings- und Migrationspolitik einzuleiten", sagte Kurz am Donnerstag vor dem Treffen der Europäischen Volkspartei (EVP) in Brüssel.

Mit einer Einigung des Gipfels auf "Anlandeplattformen" könne wahrscheinlich erstmals gelingen, "dass Menschen, die ihren Weg mit Schleppern nach Europa starten, nicht mehr in Europa aussteigen, sondern außerhalb von Europa". Kurz: "Das ändert alles." Für Menschen werde es dadurch weniger attraktiv, sich illegal auf den Weg zu machen. "Es entzieht den Schleppern die Geschäftsgrundlage. Es kann dazu führen, dass wir endlich das Ertrinken im Meer beenden, weil sich die Menschen gar nicht mehr auf den Weg machen, und es beendet die Überforderung in Mitteleuropa", sagte Kurz.

Umsetzung realistisch

Die Umsetzung solcher Auffangzentren halte er für sehr realistisch, sagte Kurz. Libyen sei für die Rettung von Menschen in seinem Küstengebiet zuständig. "Natürlich ist es möglich, dass Menschen, die sich auf den Weg machen, nach Libyen zurückgestellt werden." Auch für Ägypten wäre dies möglich. "Das widerspricht auch nicht den rechtlichen Regelungen, die es gibt." Als er dies erstmals 2015 gefordert habe, sei er noch massiv kritisiert worden. "Jetzt wird das endlich möglich", so Kurz.

Zu einer möglichen Vereinbarung mit Deutschland sagte der Kanzler: "Unser Ziel ist eine europäische Lösung." Er hoffe, dass dies auch gelinge. "Die europäische Lösung kann nur einen stärkeren Außengrenzschutz, eine Stärkung von Frontex, Anlandeplattformen, Zentren, sichere Schutzzonen, egal wie man es nennen möchte, außerhalb Europas bedeuten." Natürlich sei Österreich "gegen das Weiterwinken von Migranten innerhalb der Europäischen Union, das haben wir immer eingefordert". Dies sei auch in der Dublin-Verordnung so festgeschrieben. "Dublin wurde einseitig von manchen im Jahr 2015 außer Kraft gesetzt ", betonte Kurz.

Nichts Besseres als Dublin

"Wir haben immer gesagt, dass die Dublin-Regeln gelten sollen, solange es nichts Besseres gibt", sagte der Kanzler. Wenn Menschen in Griechenland oder Italien oder wo auch immer sie erstmals europäischen Boden betreten, registriert seien, dürften sie "nicht einfach weitergewunken werden", sondern müssten im Rahmen des Dublin-Verfahrens zurückgestellt werden. "Wenn man sich gemeinsam darauf einigt, das noch schneller zu machen, ist das gut. Es ist aber nur eine kleine Facette der ganzen Migrationsfrage."

Laut Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) sei Österreich vorbereitet, falls sich der deutsche Innenminister Horst Seehofer (CSU) mit seiner Forderung nach einer nationalen Lösung der Migrationsfrage durchsetze. Seehofer plant die Zurückweisung von Flüchtlingen an der deutschen Grenze.

Dann werde man die Migranten, die andernorts in der EU schon registriert worden seien, ebenfalls "weiterschicken", sagte Kneissl im deutschen RBB-Inforadio am Donnerstag. "Wir haben einige hundert Fälle dieser Zurückweisungen bereits gehabt in den letzten Monaten", erklärte die Außenministerin. (APA, dpa, 28.6.2018)