Moskau – Der russische Gulag-Forscher und Menschenrechtsaktivist Juri Dmitrijew ist weniger als drei Monate nach einem Freispruch erneut festgenommen worden. Dmitrijew werde wegen neuer Ermittlungen festgehalten, sagte sein Anwalt Viktor Anufrijew am Donnerstag der Nachrichtenagentur AFP.

Erst Anfang April war der 62-jährige Historiker vom Vorwurf der Kinderpornografie freigesprochen worden. Ein anderes Gericht hatte den Freispruch jedoch aufgehoben. Nach Angaben seines Anwalts hatte Dmitrijew seine unterernährte Adoptivtochter nackt fotografiert, um über die Jahre ihre Wachstumsentwicklung zu dokumentieren.

Daraus wurde nach den Worten des Anwalts der Vorwurf konstruiert, der Wissenschafter habe das Mädchen "zu pornografischen Zwecken ausgebeutet", was mit bis zu 15 Jahren Haft bestraft werden kann. Die jüngste Festnahme sei nach neuen Aussagen der Großmutter des Mädchens erfolgt, sagte Anufrijew.

Wichtige historische Entdeckungen

Dmitrijew leitet die Außenstelle der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial in Karelien an der Grenze zu Finnland. Der Historiker hat unter anderem eine Liste mit den Namen von 40.000 Sowjetbürgern erstellt, die in Karelien unter dem Diktator Josef Stalin ermordet oder deportiert wurden. Seine Forschungen führten zudem zur Entdeckung eines Massengrabes mit den Überresten von rund 9.000 Menschen, die zur Sowjetzeit erschossen worden waren.

Aktivisten sehen das Vorgehen gegen Dimitrijew als einen Versuch der Behörden, den Historiker mundtot zu machen, der die Aufmerksamkeit auf eines der dunkelsten Kapitel der Geschichte des Landes gelenkt hatte. Menschenrechtsgruppen werfen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vor, die Verbrechen der Stalin-Ära weitgehend unter den Teppich kehren zu wollen. (APA, 28.6.2018)