Neymar ordnet sich unter.

Foto: APA/AFP/MLADEN ANTONOV

Moskau – Es sieht Neymar nicht ähnlich, das Scheinwerferlicht zu meiden. Umso verwunderlicher, dass er im Moment des Triumphes abtauchte. Ganz hinten auf dem Siegerfoto, gleich neben Pechvogel Marcelo, versteckte sich der brasilianische Superstar unter seiner kanariengelben Kappe. Im Schoße der übrigen Millionäre wirkte der Exzentriker nach dem Einzug ins WM-Achtelfinale beinahe unscheinbar. Neymar geht auf im Gefüge der südamerikanischen Ballartisten – und das sollte der Konkurrenz spätestens nach dem 2:0(1:0)-Sieg im letzten Gruppenspiel gegen Serbien stark zu denken geben.

"Team, Kameraden, Familie – nennt es, wie ihr wollt"

"Team, Kameraden, Familie – nennt es, wie ihr wollt. Gemeinsam und fokussiert für ein einziges Ziel", schrieb der 26-Jährige unter besagtes Bild aus dem Charterflieger, der den Rekordweltmeister von Moskau Richtung Sotschi trug. Wie es in Sozialen Medien sein muss, kommt die Botschaft etwas klebrig rüber. Falsch ist sie aber nicht, wie Neymar gegen die Serben bewies. Wenn er es möchte, kann er sich für etwas Größeres zurücknehmen. Das blieb auch der kritischen Heimatpresse nicht verborgen.

"Neymar lässt gegen Serbien seinen Egoismus außen vor und sucht die Protagonistenrolle", titelte die Zeitung Estado: "Endlich eine Partie, in der Brasilien besonnen agierte." Und keine, die mit einer peinlichen Tränen-Show Neymars endete wie noch das Duell gegen Costa Rica. Der Zauberfuß war gelöst, warf nach Abpfiff Kusshände in die Menge, wo er lächelnd nach seinen Liebsten suchte. Es ist dieser Neymar, der Brasilien nach dem jüngsten Auftritt zum WM-Favoriten machte.

Keine Schwalben, kluge Pässe

Die Schwalben sparte er sich diesmal, spielte stattdessen kluge Pässe. "Neymar fällt wenig, kämpft viel, traf nicht, aber hörte erstmals seinen Namen von den Fans auf der Tribüne", schrieb O Tempo. Und Neymar wusste, wann er besser Co-Star Philippe Coutinho machen lässt. Der bereitete das 1:0 durch Paulinho (36.) mit einem Steilpass von Weltniveau vor. Mit dem Duo Neymar/Coutinho vorne und der höchst abgezockten Defensive um die Innenverteidiger Miranda und Thiago Silva, in der 68. Minute Torschütze zum 2:0, stimmt die Mischung auffallend.

In Jubelstürme verfiel in Brasilien vor dem Achtelfinale am Montag in Samara gegen Mexiko aber niemand. Ebenfalls untypisch und deswegen gefährlich für die Konkurrenz. Ja, eine Caipirinha wolle sich Trainer Tite genehmigen. Das war es dann aber auch. "Das Team muss sich noch steigern. Es spielt so, wie wir es uns zu diesem Zeitpunkt vorgestellt haben. Aber es muss versuchen, über den Standard hinauszugehen", sagte der Trainer. Auch die Favoritenrolle schob der Trainer nach dem Aus der brasilianischen Nemesis Deutschland von sich weg: "Wir leben nicht von Erwartungen, wir leben von der Realität."

Realistisch ist auf jeden Fall ein Einsatz von Defensivmann Marcelo gegen Mexiko. Gegen die Serben musste der vielleicht beste Außenverteidiger der Welt schon nach neun Minuten den Platz wegen eines verspannten Muskels im Wirbelbereich verlassen. "In kürzester Zeit" wolle er wieder zurück sein, schrieb er bei Instagram. Sogar strahlen konnte Marcelo schon wieder – irgendwo zwischen Neymar und all den anderen. (sid, 28.6.2018)