Marta Navaridas nimmt uns mit auf einen harmlos aussehenden, tatsächlich aber gefährlich rutschigen Parcours durch ihre Wohnung.

Foto: Kati Göttfried

Sie setzt sich auf die imaginäre Kloschüssel, wischt sich den Hintern ab und reinigt ihre Zähne, ohne sich dazwischen die Hände zu waschen.

Foto: Kati Göttfried

Wien – Sie zeigt her, wie sie wohnt, und sagt so, wer sie ist. Die von der aus Spanien stammenden Grazer Tänzerin Marta Navaridas verkörperte Frau auf der Bühne gehört zur Spezies gerade noch junger Kulturliberaler: aufgeschlossen, politisch interessiert, individueller Geschmack. Sehr sympathisch – wie der Saisonabschluss, den Navaridas gemeinsam mit Partner Alex Deutinger dem Tanzquartier Wien mit diesem Solo beschert hat. Die teils pantomimische, teils choreografische Performance trägt den Titel I would like to be a better person.

Nicht allzu offensiv und deshalb umso wirksamer zieht diese Frau die Gefühle des Publikums auf ihre Seite. So nimmt Navaridas uns mit auf einen harmlos aussehenden, tatsächlich aber gefährlich rutschigen Parcours durch ihre Wohnung. Die intime Bühne des Tanzquartier-Studios ist leer, die Räume entstehen einzig in der durch die Worte der Performerin animierten Vorstellung der Zuschauer. Diese Herausforderung meistert Marta Navaridas mit der Selbstverständlichkeit einer guten Schauspielerin.

Nicht so sauber, wie es scheint

Etwa in der Mitte des rund einstündigen Stücks hat sie auf dem Boden mit weißem Klebeband ein Badezimmer markiert. Dort setzt sie sich auf die imaginäre Kloschüssel, wischt sich den Hintern ab und reinigt ihre Zähne, ohne sich dazwischen die Hände zu waschen. Dieses Detail bringt auf den Punkt, worum es bei I would like to be a better person geht: Die freundliche, selbstironische Figur ist nicht so sauber, wie es scheint. Sie spricht darüber, dass sie für Amnesty spendet, bei einer Demo mitmacht, wenn sie Zeit und Lust hat, und zuweilen das Straßenmagazin Megaphon kauft. Ihre "Refugees welcome"-Flagge hat sie lieber nicht aus dem Fenster gehängt.

Ab und zu gerät ihr Verhalten aus den Fugen, auf dem Weg durch Zimmer, Küche und Büro – das sie "colonial room" nennt, weil da Reisetrophäen herumstehen. Sie gesteht, dass sie früher Handtücher aus Hotels oder Bücher aus Geschäften hat mitgehen lassen. Und dass sie zuweilen Kinderhände gequetscht hat, wenn die Eltern gerade nicht dabei waren. Und während sie über die Abgründe ihres Wesens hinwegplaudert, dämmert dem Publikum, dass nicht nur die immer gleich hell ausgeleuchtete Bühne leer ist, sondern auch diese Figur.

Ohne Moralfinger

Aus den Ritzen und Brüchen in der Oberfläche ihres Parcours dringt ein Eiter, wie ihn die Entzündungen des liberalen Gewissens schon lange absondern. Navaridas gelingt es, ihrem Publikum diese Absonderungen vor Augen zu führen, ohne den Moralfinger zu erheben.

Diese politische Arbeit fügt sich bestens in die Werkbiografie des Künstlerpaars Navaridas und Deutinger ein. Mit I would like to be a better person gelingt den beiden nun auch eine Form, die es ihnen ermöglicht, auf das hedonistische Gefummel und Dekor früherer Performances wie Pontifex oder Queen of Hearts zu verzichten. Allein durch ihre Präsenz vermag Navaridas ihr Publikum emotional dort abzuholen, wo es bei diesem Stück sitzt: im Schlafzimmer ihrer Wohnung. (Helmut Ploebst, 28.6.2018)