Neulich beim Tee: Lady Bracknell (Michou Friesz, links) fletscht in Perchtoldsdorf die Zähne.

Foto: Lalo Jodlbauer

Der Genuss, den Oscar Wildes Figuren aus ihrer unerhörten Beredtheit schöpfen, ist einer, der sie teuer zu stehen kommt. Komödienhelden wie Algernon und Jack, die zwei jungen Snobs in Ernst ist das Leben alias Bunbury, nehmen sich jede Freiheit heraus.

Sie durchschauen die Welt der Fünf-Uhr-Teetrinker bis auf den Grund der Porzellantasse. Dennoch sind sie Getriebene. Die Verlogenheit der Konvention nötigt sie zu einer Verdoppelung ihrer Lebensführung. Immer dann, wenn einer der beiden ganz bei sich sein will, muss er von sich behaupten, er sei jemand anderer.

Bei den Sommerspielen Perchtoldsdorf, wo man wegen Regens in der Burg untergeschlüpft ist, hat Intendant Michael Sturminger weiter am Zahnrad gedreht. Sein Oscar-Wilde-Ensemble besteht ausschließlich aus Frauen. Jede von ihnen spricht das ingeniöse Deutsch Elfriede Jelineks. Wildes funkelnde Paradoxien werden von ihr noch einmal durchgepeitscht. Die Sprache krümmt sich und setzt sich gegen die Strenge der Behandlung (durch Jelinek) zur Wehr. Doch ihr Doppelsinn kann nun nicht mehr umhin, das, was Wilde noch absichtlich im Verborgenen beließ, freudestrahlend kundzutun.

Witze über das "Kommen"

Es wimmelt daher nur so von Witzen über das "Kommen" und darüber, dass "natürliche Unwissenheit durch nichts ersetzt" werden kann. Auf einer strahlend weißen Bühne (Ausstattung: Manuel Biedermann, Paul Sturminger) kommt rascher, als es den Beteiligten lieb ist, Sand ins Komödiengetriebe. Algernon (Elzemarieke de Vos) und Jack (Raphaela Möst) agieren stark schaumgebremst unter der Obhut einer Statue, die einen gut bestückten Hermaphroditen zeigt.

Warum so wenig Pep? Es sind die Nebenfiguren, derentwegen man nach P'dorf reisen soll: die Lady Bracknell von Michou Friesz, die als Göttin des "Camp"-Geschmacks rhetorisch die Zähne fletscht und der Pastor Chasuble von Maria Hofstätter, dessen Spracharmut eine hinreichende Befähigung zur Ekstase erkennen lässt. (Ronald Pohl, 28.6.2018)