"I’m the money." Wer sich James Bond mit diesen Worten vorstellt und so aussieht wie Eva Green, hat mit entsprechender Antwort zu rechnen: "Every penny of it." Der coolste Geheimagent Ihrer Majestät weiß sein Gegenüber jedenfalls auf den ersten Blick einzuschätzen. Vesper Lynd steht auf der Visitenkarte der jungen Frau, die im Bordrestaurant im Zug nach Montenegro ihm gegenüber Platz nimmt.

Eva Green im aktuellen Polanski-Film "Nach einer wahren Geschichte".
Foto: Carole Bethuel / Studiocanal

Bond ist auf dem Weg zur bisher wichtigsten Kartenpartie seiner Karriere, und weil der Einsatz in Casino Royale dabei ein besonders hoher ist, braucht er finanzielle Rückendeckung. Lynd ist Schatzmeisterin, zehn Millionen Steuergeld dürfen für den guten Zweck verpokert werden, für die nächsten fünf muss der Hobbyspieler um Erlaubnis fragen. Und sich darauf gefasst machen, dass ihm ab jetzt aus den eigenen Reihen rhetorisch Paroli geboten wird – auch wenn er meint, die zukünftige Gefährtin durchschaut zu haben: "Your beauty’s a problem. You worry you won’t be taken seriously." – "Which one can say of any attractive woman with half a brain."

Schönste Schatzmeisterin Ihrer Majestät: Erster Auftritt in "Casino Royale".
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Blaues Gift

Dass die Wahl für die weibliche Hauptrolle neben Daniel Craig bei seinem ersten Geheimdiensteinsatz auf Eva Green fiel, überrascht heute, zwölf Jahre später, nicht mehr. Eine Rolle, die man früher als Bond-Girl bezeichnete, hätte die damals 26-Jährige auch nicht angenommen. Was die gebürtige Pariserin, Tochter der Schauspielerin und Autorin Marléne Jobert und Nichte des österreichischen Kameramanns Christian Berger, nämlich auszeichnet, sind Selbst- und Stilbewusstsein. Und, seit ihrer Entdeckung 2003 durch Bernardo Bertolucci mit dessen 68er-Fantasie The Dreamers, vor allem Charisma.

Als "Midnight Poison" für Dior und Wong Kar-wai
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Denn wenn es stimmt, was Filmkritiker gerne behaupten, nämlich dass die Kamera das Gesicht einer Schauspielerin liebe, dann trifft das auf Eva Green jedenfalls zu. Kein Wunder also, dass unmittelbar nach dem Bond-Auftritt Hongkong-Auteur Wong Kar-wai für seinen Werbespot für Dior sein Testimonial zu Space Dementia von Muse gegen die Uhr anrennen ließ – ein Midnight Poison im blauen Kleid.

Die beiden Filme, die dieser Tage mit Green in jeweils einer Hauptrolle ins Kino kommen, könnten unterschiedlicher nicht sein. Zu entdecken sind jedoch hier wie dort extreme Darstellungen: In Roman Polanskis ausgeklügeltem Psychothriller D’après une histoire vraie (Nach einer wahren Geschichte) spielt Green eine Femme fatale, die sich ins Leben einer erfolgreichen Buchautorin (Emmanuelle Seigner) drängt, um sukzessive die Herrschaft über deren Leben an sich zu reißen.

Die Schreibblockade der Bestsellerautorin hat bald ein Ende: Mit Emmanuelle Seigner in "Nach einer wahren Geschichte" .
Foto: Carole Bethuel / Studiocanal

Man merkt diesem Film die Co-Autorenschaft von Olivier Assayas an, der das Motiv des engen Verhältnisses zweier Frauen bereits in Clouds of Sils Maria verarbeitete. Und wie Assayas zuletzt in Personal Shopper mit Kristen Stewart, spielt auch Polans ki behände mit den Motiven des psychologischen Thrillers wie Kontrollverlust und Wahn, während Greens Auftritte die unheilvolle Atmosphäre befeuern. Niemand müsse erfahren, in welchem Zustand sie sich befinde, so die Ghostwriterin, die sich nur "Elle" nennt, zu der von ihr immer mehr von der Außenwelt abgeschotteten Bestsellerautorin. Und zertrümmert in einem Wutanfall – vorerst – ihren Küchenmixer. Stephen Kings Misery lässt grüßen. Dazu passt gut, dass Green davon erzählt, als Kind von The Shining traumatisiert worden zu sein und nur wegen Jack Nicholson Schauspielerin geworden zu sein.

Zwischen stoischer Gefasstheit und heftigem Ausbruch: "Euphoria".
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Auch im schwedischen Drama Euphoria von Lisa Langseth ist Green an der Seite einer anderen Frau zu sehen. Gemeinsam mit ihrer Schwester Ines (Alicia Vikander) reist sie darin als Sterbenskranke in ein abgeschiedenes Landhaus, um umgeben von dichten Wäldern und anderen todgeweihten Klienten einem erlösenden Tod ins Auge zu blicken. Wer nach einem guten Grund sucht, diesen Film zu sehen, dann findet er ihn in Greens Grenzgang zwischen stoischer Gefasstheit und heftigen Ausbrüchen, zwischen der Hoffnung auf den Verbleib der Schwester und der Angst, dass das Leben eben nicht bedeutender wird, wenn man stirbt. Für das Kino stimmt das natürlich nicht: Hier zählt der schöne Tod, und vielleicht ist genau das der Grund, warum Green im Kino so oft stirbt. "I die a lot in movies. I don’t know why", so Green, die am Ende von Casino Royale gar mit einem ganzen Palazzo im Meer versinkt.

Einsame Rächerin

Die Grenze zwischen US-Blockbuster und europäischem Arthouse-Film überschreitet Green jedenfalls mühelos. Die Unnahbarkeit, die sie so bewusst wie gekonnt stilisiert, spiegelt sich in der Auswahl ihrer Rollen wider: in Ridley Scotts Historienspektakel Kingdom of Heaven als Sybille von Jerusalem unter schwerem Schmuck und Tuch, im Science-Fiction-Drama Womb des ungarischen Autorenfilmers Benedek Fliegauf als einsame Frau, die sich ihren toten Liebhaber neu heranzüchtet. Ob als vernichtende Artemisia in 300: Rise of an Empire, als stumme, vernarbte Rächerin im Western The Salvation – diesmal mit Bond-Bösewicht Mads Mikkelsen auf ihrer Seite – oder in Tim Burtons Miss Peregrine’s Home for Peculiar Children als in Schwarz gekleidete Heimleiterin, die sich gar in einen Falken verwandeln kann: Green ist immer auch Gothic.

Gruselige Gestalten aus dem viktorianischen England: Trailer zur prämierten TV-Serie "Penny Dreadful".
Penny Dreadful

Am eindrucksvollsten beweist sie dies in ihrer gefeierten Darstellung in der britischen TV-Horrorserie Penny Dreadful, in der sich literarische Gruselgestalten aus dem viktorianischen England um sie scharen: Eva Green als Vanessa Ives ist das dunkle Zentralgestirn.

In Zeiten, in denen Filmdiven längst der Kinogeschichte angehören, ist Eva Green Neuerfindung und Wiedergängerin zugleich. Oder, wie bei Roman Polanski, unheimliche Doppelgängerin. (Michael Pekler, 29.6.2018)