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Aus, vorbei I. Mario Gomez, Mats Hummels, Joshua Kimmich und Thomas Müller nach dem Spiel gegen Südkorea.

Foto: REUTERS/Dylan Martinez

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Aus, vorbei II. Nachdenklicher Fan in der Kazan-Arena.

Foto: ap/Lee Jin-man

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Aus, vorbei III. Reaktionen der Fans beim Public Viewing am Brandenburger Tor.

Foto: REUTERS/Hannibal Hanschke

Aus, aus, aus ... Die WM ist aus. Könnte man sagen. Zu Recht ausgeschieden auch. Es ist eben nicht immer so wie der legendäre Ausspruch Gary Linekers annehmen lässt. "Fußball ist ein einfaches Spiel: 22 Männer jagen 90 Minuten lang einem Ball nach, und am Ende gewinnen die Deutschen", sagte er nach der Niederlage der englischen Mannschaft gegen Deutschland im Halbfinale der Fußballweltmeisterschaft 1990. Es gewinnen eben nicht immer die Deutschen. Dieses Mal nicht – und das Spiel gegen Südkorea ist zugleich ein historisches, denn die deutsche Nationalelf schied bisher kein einziges Mal in der Vorrunde einer Fußballweltmeisterschaft aus.

Und es wurde mit weiteren Fußballregeln gebrochen, so auch mit jener, die seit der Fußball-WM '54 immer wieder gerne im Munde ist. "Der Ball ist rund und ein Spiel dauert 90 Minuten", sagte Sepp Herberger damals vor dem Finale gegen Ungarn. Das WM-Spiel gegen Südkorea dauerte satte 99 Minuten. Der US-amerikanische Schiedsrichter Mark Geiger gab erst sechs Minuten Nachspielzeit, die er nochmals um drei Minuten verlängerte. Dennoch verlor Löws Mannschaft 0:2 gegen Südkorea.

Viele Chancen hätte unsere Elf auch während der regulären Spielzeit nutzen können, um mit einem Sieg vom Platz zu gehen. Die DFB-Auswahl konnte selbst über ihr Weiterkommen im Turnier entscheiden – ein Sieg mit zwei Toren Differenz und Deutschland wäre im Achtelfinale gewesen. Nachdem Mexiko im zeitgleich stattfindenden Gruppenspiel gegen das schwedische Team zurücklag, hätte sogar ein 1:0-Sieg Deutschlands ausgereicht, um als Gruppenzweiter ins Achtelfinale einzuziehen. Doch was war bei Löw und seinen Jungs los?

Falsches Spielsystem?

Joachim Löw gilt als Taktiker. Schon während seiner Zeit als Co-Trainer bei Jürgen Klinsmann war er für die Spielanalysen sowie für das Austüfteln einer Spieltaktik zuständig, stand dem damaligen Bundestrainer immer beratend zur Seite. Welche Fehler Löws im Vorhinein führten bei diesem Spiel sch(l)ussendlich zur DFB-Niederlage – und somit zum Vorrundenaus?

Die defensive Viererkette scheint im Löw’schen Spiel immer gesetzt zu sein. Somit wird man in diesem Punkt keine andere Möglichkeit ausloten, muss aber die erbrachte Leistung der aufgestellten Spieler näher betrachten. Eine mangelnde Abstimmung in der Defensive führte zu Ballverlusten, so wie bei Niklas Süle und Mats Hummels in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit. Dadurch bekam Heung-min Son den Ball, der glücklicherweise an Manuel Neuers Tor vorbeizielte.

Insgesamt fehlte es an Ideen, vor allem aus dem Mittelfeld. Die Versuche der deutschen Mannschaft, außen einen Spieler freizuspielen, gelangen zwar, allerdings wurden Flankenversuche durch die südkoreanische Defensive geblockt, wenn sie nicht ins Leere gingen. In der 50. Minute fiel im Gruppenspiel Mexiko gegen Schweden das erste Tor für das schwedische Team. Deutschland hatte somit noch ausreichend Zeit, ein Tor gegen Südkorea zu erzielen, um einen Einzug ins Achtelfinale zu sichern. Ein besseres Spielen von Pässen wäre sicher spielentscheidend gewesen, kombiniert mit Tempowechseln. In einem Spiel, in dem man fürs sichere Weiterkommen gewinnen muss, hätte Löw Timo Werner als alleinige Sturmspitze mit einem zweiten Stürmer unterstützen müssen – trotz des konterstarken Spiels der Südkoreaner.

Fehlende Fokussierung bei dieser WM?

Lag es an der fehlenden Konzentration einzelner Spieler oder des gesamten Teams? Löw bestritt dies im Anschluss an das in Kasan stattfindende Spiel im ZDF-Interview mit Katrin Müller-Hohenstein, sagte, seine Spieler seien konzentriert gewesen. Darauf habe er geachtet. Was war es dann? Der Trainingszustand? Wie ausgelaugt jeder einzelne Spieler nach der Saison war und wie sich eine WM als Verlängerung ebendieser auswirkt, kann nur jeder Spieler für sich beantworten.

Die Südkoreaner konnten hingegen im letzten WM-Gruppenspiel noch Kräfte mobilisieren. Vielleicht war es Grund genug, gegen den Noch-Weltmeister spielen zu dürfen, ihn im wahrsten Sinne des Wortes aus der WM zu kicken. Die südkoreanische Elf konnte, da aller Wahrscheinlichkeit nach schon ausgeschieden, wesentlich befreiter aufspielen: sie hatte nichts zu gewinnen und auch nichts zu verlieren. Für die Deutschen wiederum stand einiges auf dem Spiel, was sie vielleicht im Spiel selbst hemmte. Aus psychologischer Sicht sicher eine enorme Drucksituation: die Titelverteidigung – und die damit verbundenen Erwartungen wie viele Tore schießen, Gruppensieger in der Vorrunde werden, guten Fußball zeigen. Vielleicht war also der Kopf das größere Problem als der Fuß, trotz über 600 Pässen gelang im Südkoreaspiel kein erfolgreicher Abschluss in Form eines Tores für Deutschland, genau wie schon zuvor gegen Mexiko.

Aus der Traum von der Titelverteidigung

Im Gegensatz zu der WM 2014 in Brasilien hatte man bei dieser nicht das Gefühl, dass Deutschland Weltmeister werden – und diesen Titel verteidigen könnte. Das Sommermärchen 2006 ist lange her, die Titelträume bei den darauffolgenden Weltmeister- und Europameisterschaften sind inzwischen ausgeträumt. Neue gibt es nicht, Neuer als Kapitän ist kein Oliver Kahn, der seine Mannschaft über den Platz brüllt und von seinem Tor aus bis zu dem des Gegners lautstark anfeuert. Das brasilianische Feuer nicht mehr entfacht. Fangesänge wie "mit dem Herz in der Hand und der Leidenschaft im Bein werden wir Weltmeister sein" sind verstummt, die seit dem Sommermärchen immer wieder bei Fußballweltmeisterschaften zu hören waren.

Ein Formtief hat sich seit der EM 2016 bemerkbar gemacht, wichtige Führungsspieler wie Bastian Schweinsteiger und Philipp Lahm haben ihre sportliche Karriere beendet. Stammspieler, die während der Trainerzeit von Joachim Löw aufgebaut und gefördert wurden, haben eine nun merkliche, große Lücke in der deutschen Elf hinterlassen. Hat der DFB es vernachlässigt, gute Nachwuchsspieler in die Mannschaft zu integrieren und ihnen nicht nur einen Stammplatz zu sichern, sondern auch die Teamqualitäten, die man als Spielmacher benötigt, zu vermitteln? Darüber wird es sicherlich eine interne Diskussion geben, man wird über Talente wie Mario Götze und Thomas Müller reden.

Unglückliche Weltmeistertradition

Und auch über einen möglichen Riss innerhalb der DFB-Elf, zwischen den noch amtierenden Weltmeistern und den jungen Nachwuchsspielern. Fehlte den Weltmeistern von 2014 die nötige Motivation? Für sie war es bloß eine weitere Weltmeisterschaft, ihnen ist schon das gelungen, wovon jeder Fußballspieler träumt: bei einer WM dabei zu sein, Weltmeister zu werden.

Das Vorrundenaus amtierender Weltmeister scheint zumindest ein allgemeines Phänomen zu sein, sind doch auch Italien 2010 sowie Spanien 2014 bereits nach den Gruppenspielen ausgeschieden. Deutschland reiht sich somit nahtlos in diese unglückliche Weltmeistertradition ein. Leider. Nun ist dieses Spiel aus. Diese WM auch – für Deutschland. (Kathrin Bunzel, 28.6.2018)