Bilder einer Grenzüberschreitung: Stefan Enders zeigt das Einende, das Verneinende und das Ausgrenzende; und dennoch das, worum es geht: um Liebe und Frieden.

Foto: Den idealen Begleitband zum EU-Vorsitz dokumentierte Heidi Seywald.

Als Stefan Enders sich im Jänner 2015 auf eine Expedition entlang der Grenzen der EU machte, konnte niemand erahnen, welch brisante Aktualität dieser Grenzgang erhalten würde. Der Fotograf, selbst glühender Europäer, wollte etwas über die Menschen erzählen. Und zwar nicht dort, wo man alles schon kennt, in den Zentren, sondern in den Rand- und Grenzregionen.

Seine siebenmonatige Reise führte ihn 31.000 Kilometer entlang der gesamten Außengrenzen Europas – von Schottland über Portugal, die baltischen Staaten und Skandinavien bis zum Balkan. Einmal rund um die Europäische Union bedeutet hunderte Menschenporträts aus 15 Ländern. Das Wesentliche, das Einende liegt im Alltag. Die tagtäglichen, allnächtlichen Sorgen, Wünsche und Träume der "einfachen Leute" sind überall gleich. Alle ersehnen Glück, Frieden, Zufriedenheit.

In intensiven Fototableaus zollt der für internationale Zeitschriften wie Stern, Geo, Spiegel, Merian aktive Kölner Reporter allen Porträtierten den gleichen Respekt; egal ob Fabrikant, Gewerkschafter, Schuhputzer, Arbeiter, Arbeitsloser oder in Europa gestrandeter Flüchtling.

Nur drei Jahre nach Antritt seiner Expedition hat sich die Welt aber radikal verändert. Großbritannien hat den Brexit beschlossen, Donald Trump reüssierte mit Abschottung, und die Flüchtlingswelle und die daraus resultierende Krise hat das Gesicht (und die politischen Gesichter) Europas verändert. Nachhaltig.

Summa summarum ist Enders' Opus magnum eine eindringliche Ermahnung zur Besinnung, ohne die übliche Bevormundung, ohne erhobenen Zeigefinger (rechtzeitig zum österreichischen Ratsvorsitz), ein flammendes Plädoyer für ein einiges Europa. (Gregor Auenhammer, 1.7.2018)