Wer trifft: Mbappe oder Messi?

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Kasan – Die Achtelfinale starten mit dem Weltmeister Frankreich (1998) gegen Doppelweltmeister Argentinien (1978, 1986). Und also mit großer, theatralischer Geste. Das nicht nur, weil Diego Armando Maradona wohl wieder auf der Ehrentribüne sitzen, aufspringen, schreien, gestikulieren und himmelhoch jauchzend zu Tode betrübt sein wird, um schließlich, defibrillatorreif, hinzusinken ob seiner Verausgabung. Die ist nicht nur für die Kameras (obwohl, für die vor allem), sondern auch, um den ungeliebten, vielgescholtenen Trainer Jorge Sampaoli ein Vorbild zu sein, sodass der also gar nicht anders kann, als hin- und herzuhetzen in seinem Coachingzonen-Käfig.

Das von diesem trainierte argentinische Team ist durch die Gruppe D getaumelt und mit einem ernudelten 2:1 über Nigeria sehr knapp, um mit dem Präsidenten zu sprechen, "arschknapp" an einem deutschen Schicksal vorbeigeschrammt.

Fluch und Segen

Dabei aber haben die Albiceleste eine große Hoffnung mitgenommen. Lionel Messi, der Einundalles dieser Mannschaft, hat endlich wieder getroffen. Auf Messisch, sehenswert. Weshalb das mediale Schelten im Handumdrehen beendet wurde. La Nacion lieh sich den Mund des bisher unrund gelaufenen Spielführers und schrieb: "Seid vorsichtig, hier bin ich, und jetzt ist alles möglich." Das sieht man beim Gegner nicht anders. France Football warnt: "Lionel Messi hat seine Weltmeisterschaft begonnen."

Lionel Messi ist für das argentinische Team Fluch und Segen zugleich. Zu sehr ist alles auf ihn ausgerichtet, und zu sehr nimmt er sich oft selbst aus dem Zusammenhang des Teams, als dass dieses sich einen formschwachen Messi leisten könnte. Sampaoli reagiert darauf mit erstaunlichem Herumdoktern, was zuletzt fast zu seiner Entlassung geführt hätte. Eine Entlassung auf Anregung von Messi, wie kolportiert wurde. Maradona hat applaudiert.

Hohes Alter

Die ausgeprägte Hierarchie, die aus diesem Team nach außen abstrahlt, ist das eine Problem. Das andere das hohe Alter. 30,5 Jahre sind die argentinischen Spieler im Schnitt, da sind aber die 22-jährigen Youngsters, Giovani Lo Celso von Paris Saint-Germain und Cristian Pavon von den Boca Juniors, schon mitgerechnet.

Das hohe Alter bringt Erfahrung mit sich und damit eine gewisse Immunität gegen Sampaoli'sche Überstürzungen (und Maradona'sche Anfeuerungsrufe). Andererseits soll das Turnier ja lange dauern. Und das wird dann auch eine Frage der Konstitution.

Gegner Frankreich ist jünger, 26 im Schnitt, aber nicht unerfahrener. Trainer Didier Deschamps hat die Seinen als recht offensive Mannschaft ausgerichtet. Die ist durch die Gruppe zwar nicht getaumelt. Aber überzeugt haben "Les Bleus" auch nicht. Die Offensivfeuerwerktruppe rund um den Atlético-Star Antoine Griezmann schoss in den drei Gruppenspielen gegen Australien, Peru und Dänemark auch nicht mehr als drei Tore.

Daheim setzte es deshalb Kritik. Vor allem an Griezmann. Das wiederum stachelte seine Kollegen an. Paul Pogba von Manchester United, der gemeinsam mit N'Golo Kanté von Chelsea die Fäden des französischen Spiels ziehen soll, sprang dem Stürmer bei: "Greift meinen Grizou nicht an. Ihr habt wohl die Euro vergessen."

Altes Level

Damals, 2016, hat Griezmann auch eine eher durchwachsene Gruppenphase gehabt. Erst im Achtelfinale lief es. Das werde diesmal nicht anders sein, verspricht Griezmann: "Meine Power steigt. Ich bin sicher, dass ich schnell mein Level erreichen werde. Wie es alle von mir erwarten." Vor zwei Jahren erzielte er fünf seiner sechs EM-Tore erst in den K.-o.-Spielen bis zum Finale.

Der 27-jährige Griezmann ist ein wenig so wie Messi bei den Argentiniern. Nur besser, weil eingebundener ins Team und greifbarer für die erfahrene Trainerhand des Didier Deschamps, ein Weltmeister von 1998. In allen drei Gruppenspielen holte er Griezmann vorzeitig vom Platz.

Variabilität im Angriff

Einen kolportierten Transfer zu Barça hat er vor dem Turnier dementiert. Messi ist dennoch (oder deswegen) voll des Lobes über ihn. Aber auch über dessen Kollegen. "Es wird richtig schwierig", macht Messi sich Mut oder baut vor, "sie haben Weltklassespieler im Tor, in der Abwehr, im Mittelfeld und im Sturm."

Das ermöglicht den Franzosen tatsächlich, in größtmöglicher Variabilität ihre Angriffe vorzutragen. Neben Griezmann stürmen voraussichtlich Olivier Giroud von Chelsea, Blaise Matuidi von Juve und der erst 19-jährige Kylian Mbappé, für den PSG angeblich 180 Millionen Euro verlangen würde, falls da wer früge.

Mitreißend

Argentinien – dessen Weltmeistertrainer von 1978, César Luis Menotti, einst einen "linken Fußball" entwarf als Gegenutopie zur öden, kapitalgeleiteten Ballesterei – kontert mit Messi (auch kolportierte 180 Millionen), Gonzalo Higuaín (Juve, 60) und Ángel di María (PSG, 40).

Es wird, man wagt das vorauszusehen, wenn schon kein gutes, so doch ein mitreißendes Spiel. Und wenn schon kein mitreißendes, so doch ein sehr werthaltiges Achtelfinalspiel. (Wolfgang Weisgram, 29.6.2018)

WM-Achtelfinale

Frankreich – Argentinien (Kasan, Kasan-Arena, 16.00 Uhr MESZ/live ORF 2, SR Faghani/IRI)

Frankreich: 1 Lloris – 2 Pavard, 4 Varane, 5 Umtiti, 21 Hernandez – 13 Kante, 6 Pogba – 10 Mbappe, 7 Griezmann, 14 Matuidi – 9 Giroud

Ersatz: 16 Mandanda, 23 Areola – 3 Kimpembe, 17 Rami, 19 Sidibe, 22 Mendy, 8 Lemar, 12 Tolisso, 15 N'Zonzi, 11 Dembele, 18 Fekir, 20 Thauvin

Argentinien: 12 Armani – 2 Mercado, 17 Otamendi, 16 Rojo, 3 Tagliafico – 15 Perez, 14 Mascherano, 7 Banega – 10 Messi, 9 Higuain, 11 Di Maria

Ersatz: 1 Guzman, 23 Caballero – 4 Ansaldi, 6 Fazio, 8 Acuna, 18 Salvio, 5 Biglia, 13 Meza, 20 Lo Celso, 22 Pavon, 19 Aguero, 21 Dybala