Position der Nieren (blau) und Hoden (orange) bei Elefant, Robbe und Pferd. Warum verblieb ein Teil der männlichen Geschlechtsorgane bei einigen afrikanischen Säugetieren im Inneren des Körpers?

Lehmann & Eberhardt/ Senckenberg

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Hoden eines Ebers (kurz vor der Verkochung).

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Im Laufe der Evolution kommt es immer wieder zu Veränderungen und Anpassungen von anatomischen Merkmalen. Anhaltspunkte dafür liefern Fossilien – also Knochen oder Zähne. Wie sich allerdings Weichteile evolutionär entwickelt haben, ist ungleich schwerer herauszufinden, da diese nur äußerst selten in Fossilien erhalten sind.

Ein interdisziplinäres Forscherteam um Virag Sharma (Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik sowie Max-Planck-Institut für Physik komplexer Systeme) hat nun am Beispiel der Entwicklung des Hodens bei Säugetieren eine neue Methode entwickelt, um die evolutionäre Entwicklung von Weichteilen zu untersuchen.

Erste Voraussetzung dafür ist eine genaue Kenntnis evolutionärer Beziehungen zwischen verschiedenen Arten. Sind diese Beziehungen nicht vollständig bekannt, bleibt die evolutionäre Entstehung von Weichteilstrukturen unklar. "Statt Weichteile direkt zu untersuchen, haben wir die Evolution von Genen verfolgt, die für ihre Bildung notwendig sind", erklärt Ko-Autor Michael Hiller.

Arten mit und ohne Hodenabstieg

Für ihre Untersuchungen haben sich die Forscher die Evolution des Hodens bei Säugetieren vorgenommen. Während der Entwicklung des Embryos entstehen die Hoden in der Bauchhöhle nahe der Nieren, wandern aber bei fast allen Säugetieren mit zunehmenden Alter in den Unterbauch oder sogar in einen Hodensack. Eine Ausnahme bilden hier einige afrikanische Arten wie beispielsweise Elefanten, Rüsselspringer, Seekühe oder Borstenigel – bei diesen Spezies bleibt der Hoden an der ursprünglichen Position und es erfolgt kein Hodenabstieg.

Wie die Forscher klären, war bisher ungeklärt, ob bei diesen afrikanischen Arten der Prozess des Hodenabstiegs verloren ging oder ob alle anderen Arten diese Eigenschaft im Laufe der Evolution erlangt haben. Die Entwicklung sei auch deshalb umstritten, weil nicht vollständig verstanden ist, wie die afrikanischen Arten mit anderen Säugetieren verwandt sind.

Genetische Überbleibsel

Um die Evolution des Hodenabstiegs zu klären, haben die Forscher die DNA von 71 Säugetieren analysiert. "Wir haben festgestellt, dass die besagten afrikanischen Säugetiere nicht-funktionelle Überbleibsel von zwei Genen besitzen, die bei den anderen Säugetieren für den Hodenabstieg benötigt werden", erklärt Virag Sharma. Diese "molekularen Rudimente" deuten darauf hin, dass die Hoden auch bei den Vorfahren der afrikanischen Säugetiere nach unten gewandert sind und dies erst im Laufe der Evolution dann verloren ging. (red, 1.7.2018)