Athen – In Zeiten der Not kann sich die deutsche Kanzlerin auf die Linke verlassen: Das ist die Botschaft, die Alexis Tsipras nun verbreitet. Vom EU-Gipfel in Brüssel twitterte er am Freitag das Foto eines Dreiertreffens mit Angela Merkel und dem neuen spanischen Premier Pedro Sánchez, einem Sozialisten.

Tsipras' Botschaft dazu: "Die Länder, die eine europäische Lösung für die Migrations- und Flüchtlingskrise unterstützen, müssen einen Rahmen für ihre Zusammenarbeit finden."

Für Tsipras, den griechischen Regierungschef und Vorsitzenden der nominell noch linksgerichteten Partei Syriza, bietet der Asylstreit in Europa auch eine ungeahnte Revanche: 2015 hatte er sein Land knapp an den Hinauswurf aus der Eurozone gebracht, 2016 drohte ein zeitweiliger Ausschluss Griechenlands aus der Schengen-Zone. Jetzt aber scheint Alexis Tsipras auf dem Weg, zum "poster boy" der alten Proeuropäer zu werden, allen voran der deutschen Christdemokraten und ihrer Kanzlerin.

Verständnis für Berlin

Es sei unfair, dass Deutschland als Zielland die Last bei der Aufnahme von Migranten in Europa trüge, erklärte Tsipras kurz vor dem EU-Gipfel in einem Interview mit der Financial Times. Beim Treffen der Staats- und Regierungschefs der EU zeigte sich der griechische Premier dann auch bereit, Flüchtlinge, die sein Land passiert haben, wieder zurückzunehmen. Nichts anderes sieht das Dublin-Regelwerk zur gemeinsamen Asylpolitik in der EU vor.

Wenige Rücknahmen

Griechenland und die anderen "Eintrittsländer" für Flüchtlinge – Italien und Spanien zumal – fordern aber eine grundlegende Reform von Dublin. Von den knapp 2500 Anträgen aus Deutschland für eine Wiederaufnahme von Migranten 2017 und in diesem Jahr soll Athen gerade einmal 123 akzeptiert haben.

Mit seiner Unterstützung, die er nun für Merkel ausspricht, will Tsipras offensichtlich verhindern, ein weiteres Mal – wie bei der Schließung der Balkanroute im Februar 2016 – von den anderen Europäern vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. Berlin und die EU werden den Umbau von Lagern auf dem griechischen Festland zu "Kontrollzentren" finanzieren, so die Überlegung in Athen. Die Kanzlerin wird dann auch die immer noch nicht entschiedene Frage einer Schuldenerleichterung für Griechenland wohlwollender betrachten, so ist die Hoffnung der Regierung. 60.000 Flüchtlinge sind laut UNHCR derzeit in Griechenland. (Markus Bernath, 29.6.2018)