Wien – Das Sommerloch war bis vor wenigen Jahren ein psychogeografischer Begriff. Mit dem versuchte man in der warmen Jahreszeit und den dazugehörigen Urlaubswochen die nachrichtenarme Lage in den Medien zu umschreiben. Wenn die große Politik oder die darüber Berichtenden Pause machten, tat sich das Sommerloch zuverlässig auf. Im Sommerloch wohnten gewöhnlich Problembären namens Bruno oder Elefanten in Indien, die in ein Sumpfloch plumpsten, aber gerade noch gerettet werden konnten, bevor sie schnorcheln mussten.

Schwan Petra vulgo "Der schwarze Peter" (Achtung, Genderdebatte!) verliebte sich vor gut einem Jahrzehnt im westfälischen Münster in ein im Stile eines weißen Schwans gestaltetes Tretboot auf dem Aasee. Sie lebte jahrelang mit ihm zusammen in einer glücklichen monogamen Beziehung. Das nahm die spätere Debatte über Menschen, die ein Hochhaus oder den Eiffelturm heiraten wollten, um Jahre vorweg. Stichwort: Objektsexualität beziehungsweise Objektophilie. Sommerloch. Geil.

Achtung, Schneckenjahr!

Auch die Marillenernte fällt wetterbedingt immer mager aus. Der Qualität der Früchte tut dies allerdings keinen Abbruch – obwohl man preismäßig naturgemäß ebenso anziehen muss wie beim jährlich verhagelten Wein.

Was es heutzutage allerdings nicht mehr zu geben scheint, ist jenes heute selten gewordene Loch, das sich im Freizeitverhalten auftut, wenn die Gastgärten brummen und die Wespenplage wegen eines zu milden Winters einsetzt. Achtung, heuer auch Schneckenjahr!

Sommertheater wird heute in jedem Spritzenhaus gespielt, das man von Wien aus erreichen kann, ohne sich nach drei Vierterln in der Pause Gedanken darüber machen zu müssen, ob man heimwärts zu noch fahrtüchtig ist (ist man nicht!). Aber was tut man nicht alles für eine regietheaterlose und werkgetreu bieder-geil inszenierte Nestroy-Aufführung unter der Intendanz eines aus dem ORF bekannten Nebendarstellers einer Hauptabendserie?

Lieber ohne Gefiedel

Auch der Pop kennt mittlerweile die Dörfer und die Baggerseen und vegane Hotdogs, die vegetarisch sind. Wo früher zwischen Juli und September Stille herrschte an Weihern, Tümpeln und in Parkanlagen, geigen heute neben den neuen Beatles aus Westfalen oder Kraftwerk aus St. Gallen längst auch ungarische Billigorchester klassische Eduschohits. Statt Winnetou in einem Steinbruch nahe der tschechischen Grenze werden schon einmal die Nibelungen gegeben, aber ohne Gefiedel. Den Leuten ist es lieber.

Im Salzkammergut lesen Kammerschauspieler Sachen zum Lachen. Mach den Beruf zum Hobby. Ins Kino geht man nicht mehr, um sich im frostigen Kellersaal abzukühlen, sondern um sich von Gelsen an der Frischluft abstechen zu lassen. Und wem das alles nicht reicht, der besucht in seinem Dorf ein Grätzl- oder Feuerwehrfest und gibt sich die lokale Lehrerband oder Das rote Pferd vom DJ.

Das ist der Juli 2018. Im August kommt dann endlich die Langeweile. So wie früher. Endlich nichts! Oh, ja. Der August muss das versprechen. (Christian Schachinger, 29.6.2018)