Österreich übernimmt mit Juli turnusmäßig den EU-Ratsvorsitz. Brexit, Budget und Migration werden weiter die großen Themen sein. Damit andere wichtige Probleme nicht liegenbleiben – eine Auflistung, worum sich Bundeskanzler Sebastian Kurz in den kommenden sechs Monaten vor allem kümmern sollte.

Auf die Jungen schauen

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In Griechenland ist noch immer fast jeder Zweite unter 25 arbeitslos
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Die Trendwende ist geschafft. Die Wirtschaft in der gesamten EU wächst wieder, die Arbeitslosigkeit geht zurück. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte lautet: Die vielen Krisenjahre seit 2008 und die strukturellen Schwächen einzelner EU-Mitgliedsländer haben dafür gesorgt, dass ganze Regionen Europas mit einer sozio-ökonomisch anhaltenden Misere kämpfen. Besonders dramatisch ist die hohe Arbeitslosigkeit unter jungen Menschen bis 25 Jahre in Südeuropa, die auch keine Ausbildung absolvieren. In Griechenland ist beinahe jeder Zweite unter 25 als arbeitslos gemeldet, in Spanien sind es 35 Prozent, in Italien 33 Prozent. Hinzu kommt, dass die Arbeitslosigkeit in den genannten Ländern insgesamt nur langsam sinkt.

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Steuerflucht eindämmen

In der EU-Kommission ist Pierre Moscovici für das Steuerthema zuständig.
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Das EU-Parlament hat hier bereits ein Paket beschlossen, das unter anderem "Country by Country Reporting" für Konzerne mit einem Umsatz von über 750 Millionen Euro beinhaltet. Diese sollen in allen EU-Mitgliedsstaaten eine einheitliche Buchführung haben – die Voraussetzung für eine gerechte Besteuerung. Fertig, aus Sicht des EU-Parlaments, ist auch die "Gemeinsame Konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage" (GKKB). Unternehmen sollen künftig zur Berechnung ihres Gewinns für Steuerzwecke nur die Regeln eines einzigen EU-Landes befolgen müssen – weil dieses überall in der Union vereinheitlicht ist. Aufgabe der Ratspräsidentschaft wäre, in einen Trilog zu treten und die Zustimmung der Mitgliedsstaaten zu erwirken.

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Über Mindestlohn nachdenken

Die Lohnunterschiede zwischen den EU-Staaten sind enorm.
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Die niedrigsten Einkommen gibt es in Bulgarien und Rumänien. Laut Daten des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) von 2017 lag der Bruttodurchschnittslohn für eine Vollzeitstelle in Bulgarien im Vorjahr bei umgerechnet 491 Euro. Das sind knapp 14 Prozent des österreichischen Niveaus. In Rumänien waren es 642 Euro (18,1 Prozent des heimischen Niveaus). Zuletzt verdiente eine Vollzeitkraft in Österreich im Schnitt 3550 Euro brutto (umgelegt auf 12 Gehälter). Slowenen verdienen 45 Prozent eines Österreichers, Ungarn 24 Prozent. Die enormen Einkommensunterschiede in den EU-Ländern, die etwa auch Österreichs Arbeitsmarkt unter Druck bringen, müssten dringend diskutiert werden – und die Frage, ob ein EU-weiter Mindestlohn Abhilfe schaffen könnte.

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Auf Meinungsfreiheit achten

Viktor Orban steht nicht nur wegen seiner Medienpolitik in der Kritik.
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Die Regierungen einiger EU-Staaten, etwa Polen und Ungarn, üben gewaltigen Druck auf die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in ihren Ländern aus – deren Unabhängigkeit ist massiv gefährdet. Auch Österreich ist unter Beobachtung – seit der Ankündigung der Regierung, die Gebührenfinanzierung des ORF zu überdenken, zuletzt auch wegen des Twitter-Maulkorberlasses für ORF-Redakteure. Aber nicht nur darum geht es, auch die Schaffung europaweit gleicher, fairer Marktbedingungen für Rundfunkanstalten und Streamingdienste wäre eine dringliche Aufgabe für eine europäische Medienpolitik. Geklärt werden muss auch, ob und wie digitale Werbung auf Facebook und Google besteuert werden kann.

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Dem Süden helfen

Italiens Wirtschaft zählt aktuell zu den Sorgenkindern innerhalb der Union.
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Die regionalen Konflikte in Europa sind in den vergangenen Jahren mehr geworden. Besondere Beachtung verdient die Krise Südeuropas. Die Osterweiterung hat die EU komplett verändert. Die ärmsten Regionen Europas befinden sich heute in Polen, Rumänien, Bulgarien und nicht mehr in Spanien, Italien und Portugal. Die milliardenschweren Strukturfonds kamen in den vergangenen Jahren primär dem Osten zugute. Hinzu kam, dass die Billiglohnländer im Osten mit ihrer industriellen Struktur vor allem dem Süden Konkurrenz machen. Die Misere lässt sich gut am Beispiel Italiens ablesen, wo die Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung heute niedriger ist als vor 20 Jahren. Wer die Union zusammenhalten will, muss sich der Probleme Südeuropas annehmen.

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Klimaschutz forcieren

Bei der Erreicherung ihrer Klimaziele kommt die EU nur langsam voran.
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Neben internationalen Abkommen verfolgt die EU auch eigene Klimaziele: Unter anderem will die Union ihre CO2-Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent senken. Das eigens eingeführte Emissionshandelssystem hat dabei bisher kaum geholfen. Auch von den Zielen des Pariser Klimaabkommens sind die Mitgliedstaaten weit entfernt: Laut einer Studie der NGO Climate Action Network leistet derzeit kein Mitgliedstaat genug, um die Vorgaben zu erreichen. Schweden kommt dem Ziel am nächsten, Österreich liegt im Mittelfeld, Polen bildet das Schlusslicht. Der Aufholbedarf muss und wird spätestens im letzten Monat der Ratspräsidentschaft Thema sein: Genau im Klimasünderland Polen findet im Dezember die UN-Klimakonferenz statt. (Nora Laufer, Petra Stuiber, András Szigetvari, 30.6.2018)