Vorjahressieger Valtteri Bottas liegt die GP-Strecke in Spielberg offensichtlich sehr gut.

Foto: APA/ERWIN SCHERIAU

Dafür gab es ein verdientes Küsschen von Frau Emilia.

Foto: APA/AFP/ANDREJ ISAKOVIC

Vettel jagt Mercedes hinter her.

Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Spielberg – Red Bull hat gehofft, Ferrari hat gehofft, Mercedes hat gewonnen. Das in den letzten Jahren so oft gespielte Lied der Formel 1 wiederholte sich im Qualifying des Grand Prix von Österreich in Spielberg. Valtteri Bottas raste 19 Tausendstel vor Lewis Hamilton zur Pole Position. Die Ferrari-Piloten Sebastian Vettel (+0,334) und Kimi Räikkönen (+0,530) hatten bereits Respektabstand, der Deutsche wurde nachträglich um drei Plätze zurückversetzt und startet nun von Rang sechs.

Red Bull floppte beim Heimrennen: Max Verstappen fuhr in Q3 mit Müh und Not die fünftschnellste Zeit, Daniel Ricciardo landete hinter Haas-Pilot Romain Grosjean nur auf Rang sieben und rückte durch Vettels Rückversetzung als einziger des genannten Trios nicht auf.

Kritische Szene

Vettel hatte in Q3 den heranzischenden Carlos Sainz Jr. übersehen, war entspannt auf der Ideallinie spazieren gefahren und hatte den Spanier damit zu einem Highspeed-Ausweichmanöver gezwungen. Nach einer Anhörung entschieden die Stewards auf die Rückversetzungs-Strafe.

"Ich kann mich bei Carlos nur entschuldigen", sagte Vettel.

Die Verhältnisse für das Rennen scheinen also klar abgesteckt, das Mercedes-Aerodynamikpaket dürfte ein voller Erfolg sein. Vor seiner Strafe hoffte Vettel trotzdem noch. "Ich denke, dass wir im Rennen enger beieinander seien werden", sagte der Deutsche.

Dreifaches DRS

Ferrari und Red Bull haben freilich Gründe zur Hoffnung. Einige dem Red-Bull-Ring eigene Faktoren könnten beim Österreich-GP zusätzliche Spannung bringen, wenn auch nicht ausgleichend wirken. Zu allererst wäre da die dritte DRS-Zone. In Österreich darf der Heckflügel nun in einer zusätzlichen Zone geöffnet werden, obwohl die Strecke in Spielberg außergewöhnlich kurz ist – Bottas drückte den Streckenrekord mit seiner Pole-Zeit auf 1:03,130, das war streckenübergreifend die sechstschnellste Pole der Formel-1-Geschichte.

"Eine dritte DRS-Zone ist ein guter Schritt, es sollte das Feld zusammenhalten. Hoffentlich sehen wir deshalb mehr Überholmanöver", sagte Fernando Alonso. "Der halbe Track ist DRS, das Überholen sollte einfach sein", sagte Kimi Räikkönen – und zweifelte: "Ich weiß nicht, ob es nicht sogar zu einfach ist. Natürlich wollen wir Überholmanöver, aber es gibt einen Punkt, an dem es künstlich wird."

Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff scherzte im Vorfeld gar, dass er ein Rennen mit permanent freigegebenem DRS sehen wolle. In der Vorstellung des Österreichers würde Red Bulls Max Verstappen dann sagen: "Macht es mir gar nicht zu, Bremsen wird total überschätzt. Ein cooler Typ irgendwie." In der Realität freut sich Verstappen über die dritte DRS-Zone, sagte: "Es sollte uns im Rennen helfen."

Die Kerbs

Anders dürfte Verstappens Ansicht zu den in Spielberg ungewöhnlich aggressiven Kerbs, den Randsteinen, sein. Der Niederländer rumpelte in Trainings und Qualifying routinemäßig über die Randsteine, die viele Autos nachhaltig beschädigten. "Wären sie eine Wand, würde man drinstecken", sagte Verstappen. Oranger Zweckoptimismus.

Die Kerbs, die Kerbs...

Insbesondere die übergroßen, gelben menschgemachten Maulwurfshügel beim Kurvenausgang sorgten für Blechschäden. Banana Kerbs, Sausage Kerbs, Baguette Kerbs – die Fallen des Red-Bull-Rings haben viele Namen. Ricciardo war im Training selbst betroffen, auch er sah das ganze eher rosa: "Immerhin ist es eine Streckenbegrenzung. Manche der neuen Strecken, die keine Wände haben, haben so etwas gar nicht." Ruppige Kerbs seinen für ihn "keine schlechte Alternative, immerhin haben sie eine Auswirkung." Klar ist jedenfalls: Ein vermeintlich unschuldiger Ausritt kann den Boliden die Nasen "blutig schlagen" und einen Wechsel-Boxenstopp erzwingen, an Freitag und Samstag wurden einige OPs nach diesem Schema nötig.

Die Reifen

Und auch das ewige Thema der Formel 1 ist wieder mit von der Partie – die Reifen. Pirelli hat zusätzlich zu den obligatorischen Regen- und Intermediate-Reifen die Soft, Supersoft und Ultrasoft nach Spielberg gebracht. Die Pneus lösten schon am Freitag allgemeine Verwirrung aus, da sich wider Erwarten die Soft-Bereifung als schnellste Variante erwies. "Die Reifenmischungen sind alle sehr eng beieinander", sagte ein verwunderter Ricciardo.

Selbst WM-Leader Hamilton hat seine Schwierigkeiten. "Die Reifen sind das größte Problem. Sie sind immer noch eine Unbekannte, verhalten sich auf jeder Strecke anders. In einer Session funktionieren sie, in der nächsten nicht und du verstehst nicht warum. Es ist verwirrend", sagte der Brite. Im Ernstfall schien Mercedes die Gummis freilich bestens unter Kontrolle zu haben.

Und da ist wie immer noch das Wetter. Während des Rennens dürfte es trocken bleiben, aber wie Flach-land-Finne Valtteri Bottas sagt: "In den Bergen weiß man nie."

Historischer Hattrick?

Trotz dieser Risikofaktoren sind die Mercedes-Fahrer Siegeskandidaten eins und zwei, alleine über die Reihenfolge lässt sich debattieren. Hamilton könnte der zweite Streich eines historischen Hattricks gelingen– er gewann bereits vergangenes Wochenende in Le Castellet und geht nach vier Siegen in Folge auch als Favorit in seinen Heim-GP in Silverstone am kommenden Wochenende. Damit könnte er den ersten Triple-Header der Formel-1-Geschichte zu seiner persönlichen Show machen.

Drei Rennen in drei Wochen sind für die Teams ungeliebtes Neuland. "Es ist eine sehr große Herausforderung", sagt Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost. "Es ist Urlaubszeit, deshalb ist viel Verkehr und wir haben große Probleme wegen der Grenzkontrollen. Ich sorge mich, ob wir rechtzeitig in England ankommen werden." Der Österreicher fühlt auch mit seiner Crew: "Das ist das absolute Limit. Ich hoffe, es passiert in Zukunft nicht mehr. Die Leute arbeiten drei Tage lang Tag und Nacht."

Klagen, Klagen, Klagen

Red-Bull-Teamchef Christian Horner beklagte die hohen Kosten: "Es ist ressourcenintensiv, weil so viele Teile nach Großbritannien und wieder zurück müssen." Für die mit französischen Renault-Motoren unter österreichischer Lizenz in englischen Autos fahrenden Bullen sind es drei Heimrennen in Folge: "Es ist verrückt, wie stressig es ist."

Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff zeigte Verständnis für die Formel-1-Eigentümer Liberty Media, beklagte aber auch die Intensität. "Viele von uns sehen ihre Familien in diesen drei Wochen kaum. Es ist nicht perfekt – aber so ist es nun mal." Mit einem Doppelsieg wäre zumindest der Mittelteil wohl erträglicher. (Martin Schauhuber aus Spielberg, 30.6.2018)

Ergebnis Qualifying zum GP von Österreich in Spielberg

1. Valtteri Bottas FIN Mercedes 1:03,130
2. Lewis Hamilton GBR Mercedes 1:03,149
3. Sebastian Vettel GER Ferrari 1:03,464
4. Kimi Räikkönen FIN Ferrari 1:03,660
5. Max Verstappen NED Red Bull 1:03,840
6. Romain Grosjean FRA Haas 1:03,892
7. Daniel Ricciardo AUS Red Bull 1:03,996
8. Kevin Magnussen DEN Haas 1:04,051
9. Carlos Sainz ESP Renault 1:04,725
10. Nico Hülkenberg GER Renault 1:05,019