Wien – Mit einer demonstrativen Vertiefung der wirtschaftlichen Beziehungen wollen der Iran und Österreich dem US-Angriff auf den Wiener Atomdeal mit Teheran trotzen. Beim Besuch des iranischen Präsidenten Hassan Rouhani am Mittwoch in Wien ist die Unterzeichnung mehrerer Memoranden geplant, darunter zur Zusammenarbeit im Transportwesen und im Wassermanagement, teilte das Bundeskanzleramt mit.

Rouhani wird bei seinem Besuch mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zusammentreffen. Begleitet von seinem Minister für Industrie, Bergbau und Handel, Mohammad Shariatmadari, wird Rouhani auch die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) besuchen und dort einen Vortrag mit dem Titel "Österreich – Iran: Perspektiven der wirtschaftlichen Kooperation" halten. Es handelt sich um den ersten Europabesuch des gemäßigt geltenden iranischen Präsidenten seit dem Ausstieg der USA aus dem Atomdeal im Mai.

Kurz bewertet Atomabkommen positiv

"Österreich und die EU werden sich weiter für den Fortbestand des Nuklearabkommens einsetzen, solange der Iran ebenfalls seine Verpflichtungen einhält", betonte Van der Bellen im Vorfeld des Besuchs. Das im Jahr 2015 geschlossene Abkommen habe "ein Fenster geöffnet, um auch andere wichtige Probleme anzusprechen", fügte er hinzu.

Ähnlich äußerte sich Bundeskanzler Kurz. Er bewerte das Abkommen "positiv" und Österreich habe weiterhin das Ziel, es "gemeinsam mit unseren Partnern in der EU aufrecht zu erhalten", teilte er mit. "Wichtig ist vor allem, dass sich der Iran weiterhin an seine Verpflichtungen aus dem Abkommen hält."

Kurz will Beziehungen zu Israel ansprechen

Mit Blick auf Israel, das den Wiener Atomdeal kategorisch ablehnt und als treibende Kraft hinter dem US-Ausstieg gesehen wird, betonte Kurz, dass er "die Sorgen und das Sicherheitsbedürfnis Israels sehr ernst" nehme. "Ich werde die Rolle des Irans in der Region daher auch klar ansprechen. Ebenfalls werde ich deutliche Worte zur Menschenrechtssituation finden."

Rouhani wird am Mittwoch um 9.30 Uhr am Inneren Burghof mit militärischen Ehren von Bundespräsident Van der Bellen empfangen. Nach einem Vier-Augen-Gespräch wird es um 11.40 Uhr eine Pressekonferenz geben. Für 13.45 Uhr ist die Unterzeichnung von mehreren Memoranden im Bundeskanzleramt geplant, danach wollte auch Kurz mit dem iranischen Regierungschef vor die Presse treten.

Bilaterale Beziehungen ebenfalls ein Thema

Neben der aktuellen Lage im Nahen Osten sollen auch die bilateralen Beziehungen besprochen werden, hieß es aus der Präsidentschaftskanzlei. Es seien nämlich zahlreiche österreichische Unternehmen im Iran aktiv. Österreich und die EU seien "bestrebt, die Rahmenbedingungen in diesen schwierigen Zeiten aufrechtzuerhalten".

Um dieses Thema soll es insbesondere auch beim WKÖ-Termin Rouhanis um 17.45 Uhr gehen. An dem Treffen mit Wirtschaftstreibenden wird neben Van der Bellen auch Wirtschaftsministerin Margarethe Schramböck (ÖVP) teilnehmen.

Die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen entwickelten sich jüngst äußerst dynamisch, die österreichischen Exporte stiegen im Vorjahr um 9,2 Prozent auf 301,7 Millionen Euro, die Importe sogar um 18,5 Prozent auf 120 Millionen Euro, wobei 85 Prozent auf den Erdölsektor entfallen. Nach dem US-Ausstieg hat die WKÖ die im Iran engagierten österreichischen Unternehmen aufgerufen, sich in "Geduld zu üben" So sei das Abarbeiten von bereits eingegangenen Geschäften jedenfalls legal.

Traditionell enge Beziehungen

Verhalten reagierte die WKÖ auf die von der EU im Juni beschlossenen Gegenmaßnahmen, ("EU Blocking Regulation"), wonach etwaige US-Sanktionen gegen europäische Unternehmen nicht vollstreckbar seien und diese berechtigt seien, jedwede Schäden einzufordern. Dieser Beschluss sei zwar ein "politisch wichtiges Signal", um dem Iran zu zeigen, dass die EU am Atomdeal festhalte.

"Der wirtschaftliche Wert dieser Regulierung ist allerdings fraglich", weil offen sei, wie die EU die Blocking Regulation anwenden wird und ob – wie angedroht – tatsächlich Strafen gegen europäische Unternehmen verhängt werden, die sich den US-Sanktionen fügen.

Österreich hat traditionell enge Beziehungen zum Iran. So besuchte der damalige Bundespräsident Heinz Fischer im September 2015 als erstes EU-Staatsoberhaupt Teheran, nachdem mit dem Wiener Atomdeal ein politischer und wirtschaftlicher Öffnungskurs eingeleitet worden war.

Teheran hatte sich in dem nach jahrelangen Verhandlungen mit den UNO-Vetomächten und Deutschland erzielten Abkommen zu strikten Kontrollen seines umstrittenen Atomprogramms bereit erklärt. Im Gegenzug sollten die internationalen Wirtschaftssanktionen gegenüber Teheran gelockert werden.

Mit dem von US-Präsident Donald Trump im Mai verkündeten Ausstieg Washingtons droht dieser Deal wie ein Kartenhaus zusammenzubrechen. Die USA drohen nämlich allen Unternehmen, die sich im Iran engagieren, mit eigenen Sanktionen.

Zuvor Besuch in der Schweiz

Rouhani kommt aus der Schweiz, wo am Montag und Dienstag ebenfalls umfassende wirtschaftliche Vereinbarungen geplant sind, nach Wien. Die Wahl der Besuchsdestinationen ist durchaus symbolisch, wurden doch die maßgeblichen Verhandlungen über das Atomabkommen in Genf und Wien geführt, wie die Präsidentschaftskanzlei betonte. Zudem vertritt die Schweizer Botschaft in Teheran die Interessen der USA, die keine diplomatischen Beziehungen mit dem Iran unterhalten.

Besuche von iranischen Regierungsvertretern in Wien sorgen regelmäßig für Proteste des Bündnisses "Stop the Bomb". "Wer sich mit Rohani trifft, legitimiert ein Regime, das Israel ganz offen mit der Vernichtung droht", schrieb "Stop the Bomb"-Vertreter Stephan Grigat in der Vorwoche in einer Aussendung.

Zugleich nahm er Kanzler Kurz, der die Sicherheit Israels jüngst zum Teil der österreichischen "Staatsräson" erklärt hatte, in die Pflicht. "Wenn das Bekenntnis zu Israels Sicherheit von Kanzler Kurz nicht reine Rhetorik bleiben soll, muss er den Druck auf das iranische Regime erhöhen, anstatt dessen Präsidenten eine Plattform in Wien zu bieten", so Grigat.

Rouhani war zuletzt im Jänner 2016 in Westeuropa. Damals hatte sich der Iraner mit den Staatschefs aus Frankreich und Italien getroffen. (APA, 1.7.2018)