Alexis Tsipras sieht dem EU-Gipfel als ein Erfolg für sein Land. Sein Migrationsminister Dimitris Vitsas sieht dennoch Bedarf für Klarstellungen.

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Der griechische Minister für Migrationspolitik, Dimitris Vitsas, hat den Eindruck korrigiert, sein Land würde nun in Absprache mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel neue Anstrengungen unternehmen, um Flüchtlinge aufzunehmen. Vitsas stellte in Kommentaren am vergangenen Wochenende in Abrede, dass Griechenland im Fokus des neuen Streits über Einwanderer in der EU stünde. In der gegenwärtigen Asyldebatte gehe es um Flüchtlinge, die aus Nordafrika nach Europa kämen, betonte Vitsas. Neue Aufnahmezentren würden deshalb in Griechenland nicht gebaut. Es gebe bereits fünf solcher Zentren auf den Inseln der Ostägäis und ein weiteres Lager im Evros-Gebiet an der griechisch-türkischen Grenze, sagte Vitsas.

Ein Ausschuss des Europarats hatte in einem Anfang Juni veröffentlichten Bericht harte Kritik an den Zuständen in einigen der Flüchtlingslager geübt. So zählten die Besucher des Europarats in dem Abschiebelager im Dorf Fylakio in der Evros-Region 95 Insassen in einer einzelnen Zelle. Kinder, schwangere Frauen und alleinstehende Männer waren dort zusammen untergebracht. Jedem stand durchschnittlich ein Quadratmeter Platz zur Verfügung. Der Gang an die frische Luft war auf zehn bis 20 Minuten am Tag beschränkt.

Verschobene Fluchtrouten

Die Ost-Mittelmeerroute über die Türkei sei offenbar aufgegeben worden, sagte Vitsas gleichwohl der griechischen Nachrichtenagentur Amna. Seit dem Frühjahr sehen die griechische Grenzpolizei und ihre Kollegen von der europäischen Grenzschutzbehörde Frontex einen wachsenden Zustrom von Flüchtlingen über den Evros-Fluss zwischen der Türkei und Griechenland mit durchschnittlich 50 Menschen am Tag. Auf den Ägäis-Inseln ist die Situation in den Lagern aber unverändert dramatisch. Dort harren derzeit mehr als 17.000 asylsuchende Flüchtlinge aus und warten auf die Bearbeitung ihrer Anträge.

Regierungschef Alexis Tsipras hatte die Ergebnisse des EU-Gipfels in Brüssel zumindest für sein Land als "äußerst positiv" bezeichnet. Die Absicht einer "fairen Revision" des Dublin-Regelwerks für die südeuropäischen Staaten sei bestätigt, die Idee "geschlossener Zentren" für Flüchtlinge in Nordafrika verhindert worden, sagte Tsipras. Gemeinsam mit dem ebenfalls linken spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sanchez sicherte Tsipras der deutschen Kanzlerin Angela Merkel die Rücknahme von Flüchtlingen aus Deutschland zu, die über Drittstaaten wie Griechenland oder Spanien illegal weitergereist sind.

Weniger Steuerabgaben für "Flüchtlingsinseln"

Die Regierung in Athen wies Spekulationen zurück, ein zeitgleich am Freitag verkündeter Aufschub der Mehrwertsteuererhöhung auf den Ägäisinseln stünde in einem Zusammenhang mit den Verinbarungen zwischen Merkel und Tsipras zur Rücknahme von Flüchtlingen. Regierungschef Tsipras erklärte am Rand des Brüsseler Gipfels zunächst, die mit den Kreditgebern vereinbarte Anpassung der Mehrwertsteuer auf den Inseln an den sonst landesweit geltenden Sätzen würde bis Ende dieses Jahres aufgeschoben.

Am Wochenende zitierten griechische Medien dann Regierungskreise mit der Erklärung, die reduzierte Mehrwertsteuer auf fünf Inseln der Ostägäis würde so lange bestehen bleiben, wie das Flüchtlingsproblem dort eine Belastung für Tourismus und Wirtschaft darstelle. Auf Lesbos, Chios, Samos, Leros und Kos gilt weiterhin ein Rabatt von 30 Prozent auf die Mehrwertsteuer. In Griechenland gelten je nach Produkten und Dienstleistungen drei Sätze zwischen 5 und 24 Prozent. (Markus Bernath, 1.7.2018)