In Tirol wird erforscht, wie Kinder von Eltern mit psychischen Problemen bestmögliche Hilfe bekommen können.

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Innsbruck – "Es braucht ein Dorf, um ein Kind großzuziehen", lautet ein afrikanisches Sprichwort, wobei Kindererziehung als Gemeinschaftsprojekt gesehen wird. Diesen Ansatz verfolgt das internationale Forschungsprojekt Village seit Anfang 2018 an der Medizinischen Universität Innsbruck.

Ausgehend von einer Initiative der Ludwig-Boltzmann-Gesellschaft will ein interdisziplinäres Wissenschafterteam die Modellregion Tirol als "das Dorf" mit dem nötigen Know-how ausstatten, um Kindern psychisch erkrankter Eltern die Hilfe zukommen zu lassen, die sie in ihrem oft schwierigen Alltag benötigen. Wie dringend es diese Unterstützung braucht, zeigen die Zahlen. "Wir gehen davon aus, dass rund 25 Prozent aller Kinder in Tirol Eltern mit psychischen Problemen haben", erklärt Christine Bandtlow, Vizerektorin an der Innsbrucker Med-Uni.

Frühzeitige Identifizierung

Unter der Leitung der australischen Sozialwissenschafterin Jean Paul vom Murdoch Children's Research Institute in Melbourne wird ein internationales Expertenteam in den kommenden vier Jahren Methoden erarbeiten, solche Kinder möglichst frühzeitig zu identifizieren, um ihnen die nötige Unterstützung zukommen zu lassen. Die Besonderheit des Projektes besteht mitunter darin, dass die Forscher die Öffentlichkeit und damit das direkte Umfeld der Kinder gezielt in ihre Arbeit einbinden. "Menschen mit unterschiedlichem Background – vom Kindergärtner bis zur Sporttrainerin – werden zu informellen Netzwerken zusammengeschlossen, um gemeinsam die bestmögliche Hilfe für diese Kinder zu entwickeln", erklärt Paul den Zugang. Sie betont, dass die Forschungsgruppe nicht davon ausgehe, dass die betroffenen Kinder immer ein Problem hätten, weil man sie keinesfalls stigmatisieren wolle.

"Wir möchten aus Sicht der Kinder verstehen, was sie wirklich brauchen", sagt Paul. Auf der anderen Seite soll "das Dorf", also die diversen Bezugspersonen, darauf trainiert werden, diese Bedürfnisse individuell zu erkennen und darauf zu reagieren. Ob es bereits genüge, die Situation des betroffenen Kindes sichtbar zu machen und damit ins Bewusstsein seines Umfeldes zu rücken, oder ob es spezifische Hilfestellungen brauche, sei eine der Fragen, denen man sich dabei stelle.

Supportsysteme

Im ersten Halbjahr hat sich das Projekt damit beschäftigt, herauszufinden, wie das derzeitige System in Tirol funktioniert. Davon ausgehend werde man nun in zwei Richtungen weiterforschen, erklärt Paul: "Einerseits geht es darum, die betroffenen Kinder und ihre jeweilige Situation zu erkennen. Daneben werden wir Supportsysteme entwickeln, um ihnen Unterstützung zukommen zu lassen." (Steffen Arora, 2.7.2018)