Bremen – Ohne die Fähigkeit der Ozeane, Kohlendioxid aufzunehmen, wären die Auswirkungen des Klimawandels heute um ein Vielfaches schlimmer. Über 40 Prozent des vom Menschen verursachten Treibhausgases CO2 können die Weltmeere aus der Atmosphäre holen – allerdings zu einem hohen Preis für viele Ozeanbewohner: Bei der sogenannten Ozeanversauerung sinkt der pH-Wert des Meerwassers, worunter insbesondere Schalenträger wie Korallen, Muscheln oder einige Planktonarten leiden. Der Prozess kann ihre Fähigkeit beeinflussen, ein voll funktionsfähiges Kalkskelett aufzubauen. In welcher Geschwindigkeit dies im Vergleich zu früheren Zeiten geschieht, ist nach wie vor unklar, vor allem, weil es an zuverlässigen Langzeitmessungen und historischen Datensätzen mangelt.

Nun aber hat ein internationales Wissenschafterteam um Henry Wu vom Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) anhand eines Korallenbohrkerns nachvollzogen, wie sich der pH-Wert im südlichen Pazifik seit vorindustrieller Zeit verändert hat. Die in der Fachzeitschrift "Nature Communications" erschienene Studie liefert Anhaltspunkte dafür, dass der pH-Wert seit der frühen Neuzeit teilweise erheblichen Schwankungen unterworfen war, eine Tendenz nach unten zeichnete sich aber erst ab dem Ende des 19. Jahrhunderts ab.

Jahrhundertealtes Meeresarchiv

Steinkorallen können mehrere Hundert Jahre alt werden. Sie wachsen zwischen einigen Millimetern und mehreren Zentimetern pro Jahr und bilden wie Bäume Wachstumsringe aus. Ihr Kalkskelett gilt als natürliches Archiv, in dem Informationen über die Chemie des Meerwassers in sehr hoher Auflösung gespeichert sind. Je nach Umweltbedingungen bauen Korallen unterschiedliche Mengen an Spurenelementen in ihr Kalkskelett ein. Den Bohrkern entnahm das Forscherteam einer kompakten Steinkoralle der Gattung Diploastrea im Südpazifik.

"Wie Bohrkerne aus dem Eis der Polkappen bieten uns auch Korallenbohrkerne einen Blick in die Klimageschichte der Meeresregion, in der sie entnommen wurden, und erlauben es uns, Aussagen für die Zukunft zu machen", so Wu. Proben aus den Wachstumsringen des Korallenkerns untersuchte Wu auf Bor und andere Elemente wie Sauerstoff. Bor ist ein natürlicher Bestandteil von Meerwasser und seine Isotope sind empfindlich gegenüber Veränderungen des pH-Wertes im Ozean. Zusätzlich liefern Sauerstoffisotope Informationen über die Temperatur des Wassers.

pH-Werte sinken seit dem Ende des 19. Jahrhunderts

Die Messungen ergaben ein sehr differenziertes Bild der natürlichen Schwankungen und der Entwicklung des pH-Wertes sowie der Temperatur des Oberflächenwassers im Südpazifik seit 1689 bis zum heutigen Zeitpunkt. Gemeinsam mit Delphine Dissard und weiteren Projektpartnern des Institut de Recherche pour le Développement und des Centre National de la Recherche Scientifique in Frankreich konnte Wu nachweisen, dass unter dem Einfluss der industriellen Revolution gegen Ende des 19. Jahrhunderts eine deutliche Abnahme des pH-Wertes um 0,12 begann.

Auch zeigte sich eine Korrelation mit Klimaanomalien wie El Niño, die in dieser Meeresregion regelmäßig auftreten. Während dieses Phänomens ändern die Passatwinde und Meeresströmungen im Pazifik ihre Richtung und verursachen dort erhebliche Temperaturänderungen. Das Ereignis hat ebenfalls Einfluss auf den pH-Wert, da wärmeres Wasser weniger CO2 aufnimmt als kaltes. "Diese Variabilität zu erfassen ist wichtig", erklärt Wu. "Denn nur so können wir natürliche Schwankungen des pH-Wertes von denen unterscheiden, die der Mensch durch CO2-Emissionen verursacht." (red, 1.7.2018)