Der Eurasische Luchs (Lynx lynx) ist mit einer Schulterhöhe von bis zu 70 Zentimetern die größte Raubkatze Europas. In Mitteleuropa könnte er bald wieder verschwinden.

Foto: Ralph Frank/WWF

Berlin – Die großen Räuber Europas, in vielen Regionen bereits seit Jahrhunderten ausgestorben, kehren dank der Schutzbestimmungen langsam wieder zurück: Einem Wolf, Bären oder Luchs im Wald zu begegnen, ist dennoch ziemlich unwahrscheinlich. Insbesondere beim Luchs sind einige Populationen nach wie vor stark gefährdet. Nun zeigt eine aktuelle Studie, dass Menschen den großen Raubkatzen im Grenzgebiet von Deutschland, Tschechien und Österreich sogar stärker zusetzen alsd gedacht.

Ein Forschungsteam um den Freiburger Naturschutzbiologen Marco Heurich und die Landschaftsökologin Stephanie Kramer-Schadt vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung Berlin kommt zu dem Ergebnis, dass die illegale Jagd auf Luchse, die in der Grenzregion von Deutschland, Tschechien und Österreich wiederangesiedelt wurden, deren Bestand stark beeinflusst.

Bestandsrückgang nach anfänglichem Erfolg

Tschechische Behörden haben in den 1980er Jahren 18 Luchse an der Grenze zwischen Deutschland, Tschechien und Österreich in dem Gebiet des heutigen Nationalparks Šumava wiederangesiedelt. Nachdem die Population sich zunächst positiv entwickelte, geht ihr Bestand seit einigen Jahren wieder zurück. Die Luchse breiteten sich in einer ersten Phase nach der Wiederansiedlung entlang der Grenze nach Norden bis ins Fichtelgebirge und nach Süden bis ins Waldviertel in Österreich aus. In einer zweiten Phase von 1998 bis 2014 kam es jedoch zu einem Bestandsrückgang und die Zahl der Tiere stagniert seitdem auf niedrigem Niveau. Einige Forschungsarbeiten legten in der Vergangenheit nahe, dass die illegale Jagd auf Luchse dabei eine große Rolle spielt.

Um dies zu überprüfen, erfassten die Wissenschafter in einem Computermodell Daten zur Fortpflanzung, Sterberate, Bewegungsökologie und Größe des Streifgebiets der Tiere, die sie durch Satellitentelemetrie, Fotofallen und Zufallsbeobachtungen gewannen. Außerdem errechnete das Team ein Habitatmodell, das widerspiegelt, wie geeignet das Gebiet als Lebensraum für die Luchse ist. Auf Grundlage der Daten simulierte das Modell "Computerluchse", die sich in einer realitätsgetreuen Nachbildung der untersuchten Waldlandschaft bewegten und über die gleichen Eigenschaften wie die Tiere in freier Wildbahn verfügten. Dabei bildete das Modell das reale Straßennetz im Rechner ab, sodass die digitalen Luchse auch dem Straßenverkehr zum Opfer fallen konnten. Das Modell berücksichtigte also neben dem natürlichen Tod auch das Risiko durch den Straßenverkehr. Auf diese Weise simulierten die Wissenschafter verschiedene Szenarien für die Entwicklung der Luchspopulation und verglichen diese mit dem beobachteten Verlauf.

"Illegale Tötungen" nahmen zu

Das im Fachjournal "Biological Conservation" veröffentlichte Ergebnis: In der ersten Phase von 1982 bis 1996 sind nur drei bis vier Prozent der Sterberate der Tiere nicht erklärbar und die Aussterbewahrscheinlichkeit der Population lag bei weniger als fünf Prozent. In der zweiten Phase von 1998 bis 2014 war die nicht erklärbare Sterblichkeit mit 15 bis 20 Prozent deutlich höher – dahinter stehen mit großer Wahrscheinlichkeit illegale Tötungen. "Leider liegen wir damit im internationalen Vergleich voll im Trend, was die Höhe der vom Menschen verursachten Mortalität anbetrifft", so Kramer-Schadt.

Da Experten andere Ursachen wie Krankheiten im Untersuchungsgebiet bislang nur in geringem Umfang beobachtet haben, gehen die Wissenschafter anhand der Simulationen davon aus, dass vor allem illegale Tötungen, die Ursache für die hohe Sterblichkeit der Tiere sind. Während diese Tötungen in der ersten Phase noch ein geringes Ausmaß hatten, welches die Populationsentwicklung kaum beeinflusste, stiegen sie in der zweiten Phase stark an.

Aussterbewahrscheinlichkeit erreicht kritische Marke

Wie die Forschen außerdem zeigten, hat die Aussterbewahrscheinlichkeit einen kritischen Punkt erreicht, bei dem ein weiterer geringfügiger Anstieg zum Aussterben der Population führen könnte. "Die Wahrscheinlichkeit, dass die Population wieder aussterben kann, liegt im ungünstigsten Fall bei bis zu 74 Prozent", so Heurich. Nach den Anforderungen der Weltnaturschutzunion (International Union for Conservation of Nature/IUCN) an eine lebensfähige Population ist dieses Risiko zu hoch. Simulationen, die illegale Handlungen in den Nationalparks Bayerischer Wald und Šumava ausschließen, legen den Schluss nahe, dass die Schutzgebiete erheblich zur Erhaltung der Luchspopulation beigetragen haben. Um die Luchspopulation dauerhaft zu erhalten, stelle die Verfolgung und Unterbindung illegaler Tötungen neben der Erhaltung von Lebensräumen, die nicht durch Straßen zerschnitten werden, also die wichtigste Maßnahme zum Schutz der Luchse dar. (red, 1.7.2018)