Bern – An der Existenz des Klimawandels ist nicht zu rütteln. Auch herrscht nur mehr wenig Zweifel daran, dass der Mensch hauptverantwortlich für die Erwärmung ist. Wie sich die Erde unter der Voraussetzung, dass der Temperaturanstieg so weitergeht wie bisher, entwickeln wird, ist dagegen Gegenstand zahlreicher Diskussionen. Ein internationales Team von 59 Forschern aus 17 Ländern hat sich nun anhand von Hinweisen aus vergangenen Warmphasen an einer Rekonstruktion der vom Klimawandel veränderten Welt versucht.

Die Studie ist das Ergebnis eines Workshops in Bern, der von den Universitäten Bern, New South Wales (AU) und Oregon State (USA) durchgeführt wurde. Die darin zusammengetragenen und im Fachjournal "Nature Geoscience" präsentierten Daten zu vergangenen Klimaerwärmungen zeigen, dass sich sogar bei einer Beschränkung des Temperaturanstiegs um 2 Grad Celsius über vorindustriellem Niveau – wie im Pariser Abkommen vereinbart – Klimazonen und Ökosysteme verschieben werden.

Zudem könnte eine rapide Erwärmung in hohen Breiten zusätzliche Treibhausgase freisetzen, und der Meeresspiegel wird im Verlauf der nächsten Jahrtausende um mehrere Meter ansteigen. All dies deutet laut den Wissenschaftern darauf hin, dass viele aktuelle Klimamodelle, die Veränderungen innerhalb dieses Jahrhunderts voraussagen sollen, die längerfristigen Veränderungen voraussichtlich unterschätzen.

In den letzten 3,5 Millionen Jahren kam es zu mehreren Warmphasen, in denen die Temperaturen um 0,5 bis 2 Grad Celsius höher waren als die sogenannten vorindustriellen Temperaturen des 19. Jahrhunderts. Während diesen Warmphasen erwärmten sich jeweils die hohen nördlichen und südlichen Breiten stärker als die Tropen. Diese regionalen Unterschiede in der Erwärmung entsprechen den Voraussagen von Klimamodellen im Falle einer globalen Erwärmung um 2 Grad Celsius bis zum Ende des Jahres 2100. Obwohl nicht alle diese Warmphasen durch eine Erhöhung von CO2 verursacht wurden, tragen sie dennoch dazu bei, die regionalen Auswirkungen einer begrenzten Erwärmung, wie sie vom Pariser Abkommen angestrebt wird, abzuschätzen.

Markante Verschiebungen

Gemäß den Auswertungen zum vergangenen Klima werden sich Ökosysteme und Klimazonen in Zukunft zu den Polen oder zu größeren Höhen hin verschieben. Als Reaktion darauf könnten durch das Auftauen von Permafrostböden zusätzliches Kohlendioxid und Methan in die Atmosphäre freigesetzt werden. Die globale Erwärmung würde dadurch noch mehr befeuert. Aus den Beobachtungen der Vergangenheit lässt sich jedoch schließen, dass bei einer Beschränkung der Erwärmung um 2 Grad Celsius das Risiko einer selbstverstärkenden katastrophalen Treibhausgas-Rückkopplung eher gering ist. Dennoch muss laut den Forschern die hohe Menge an zusätzlichem Kohlendioxid, das aus den Permafrostböden entweichen wird, in zukünftigen Emissions-Szenarien eingerechnet werden.

"Wenn man die zusätzliche Freisetzung von CO2 einbezieht, haben wir noch weniger Spielraum für Irrtümer oder Verzögerungen bei den weltweiten Bemühungen, die CO2-Emissionen zu senken und das globale Klima in einem vernünftigen Rahmen zu stabilisieren", sagt Hubertus Fischer vom Oeschger-Zentrum der Universität Bern.

Sechs Meter höherer Meeresspiegel als heute

Auch eine Klimaerwärmung von 1,5 bis 2 Grad Celsius über vorindustriellem Niveau wird eine deutlich Eisschmelze in Grönland und der Antarktis zur Folge haben. Dadurch wird der Meeresspiegel langfristig um über sechs Meter ansteigen – und über mehrere Jahrtausende lang so hoch bleiben. Laut den Forschern ist ein rascheres Ansteigen des Meeresspiegels zu erwarten als noch in den letzten Dekaden. "Wir sehen bereits heute die ersten Auswirkungen dieses Anstiegs. Er wird für Jahrtausende nicht mehr zu stoppen sein – mit Folgen für einen großen Teil der Weltbevölkerung, der Infrastruktur und der Wirtschaft in Küstennähe", sagt Alan Mix von der Oregon State University.

Durch den Vergleich von Beobachtungen des vergangenen Klimas mit Simulationen von Computermodellen kommen die Wissenschafter zum Schluss, dass heutige Klimamodelle die langfristige Erwärmung und deren Verstärkung an den Polen unterschätzen. "Die Voraussagen von Klimamodellen scheinen für relativ kleine Veränderungen in den nächsten Jahrzehnten zutreffend zu sein", sagt Katrin Meissner von der University of New South Wales. "Wir befürchten aber, dass diese Modelle die Klimaveränderungen unter höheren Treibhausgas-Emissionen unterschätzen – zum Beispiel in ‘business as usual’-Szenarien und insbeondere über längere Zeitskalen hinweg." (red, 2.7.2018)