Werden sie demnächst zusammen im selben Kabinett sein? Angela Merkel und Horst Seehofer sollen heute um 17 Uhr zum Krisengespräch zusammentreffen.

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Nach einer turbulenten Sonntagnacht mit zurückgezogenen beziehungsweise verschobenen Rücktrittsankündigung des deutschen Innenministers Horst Seehofer stellt sich die Frage, welche Zukunftsszenarien es für die deutsche Regierung gibt. Welche Möglichkeit am wahrscheinlichsten ist, wagt an diesem Montag kaum jemand abzuschätzen. Koparteichef der Grünen, Robert Habeck, formulierte es so: "Ausschließen kann man gar nichts in diesen verrückten Zeiten."

Szenario 1: Einigung

Das für 17 Uhr anberaumte unionsinterne Krisengespräch zwischen den Vorständen der CDU und der CSU könnte – in welcher Form auch immer – eine Einigung hervorbringen, wenn beide Seiten aufeinander zugehen. Ob und inwiefern beide Seiten nach den teils heftigen Auseinandersetzungen der vergangenen Tage dazu bereit sind, ist jedoch unklar. Seehofer könnte aber Innenminister bleiben und Angela Merkel mit der Fraktionsgemeinschaft die große Koalition weiterführen.

Szenario 2: Seehofer tritt zurück

Innenminister und CSU-Chef Seehofer lässt seiner Ankündigung von Sonntagabend Taten folgen und bietet mangels einer Lösung Bundeskanzlerin Angela Merkel tatsächlich seinen Rücktritt an. Diese würde dieses Gesuch wohl annehmen, und es müsste dann ein Seehofer-Ersatz für den Posten des Innenministers (wie auch für den des CSU-Parteichefs) gefunden werden. Sofern die Koalition aus Union und SPD weitergeführt wird, könnte Joachim Herrmann als Ersatzmann fürs Innenministerium präsentiert werden. Die Beziehung des bayerischen Innenministers zu Merkel sei unbelastet. Der 61-jährige Münchner gilt als konservativ und besonnen und wurde auch schon für den Posten des Bundesinnenministers gehandelt.

Für Bayern wäre dieses Szenario nicht günstig, auch der bayerische Ministerpräsident Söder wäre wohl beschädigt, da dieser bis zuletzt Seehofers Linie unterstützt hat.

Szenario 3: Merkel entlässt Seehofer

Sollte es beim Spitzengespräch keine Einigung geben, die Koalition aber dennoch vorerst weitergeführt werden, kommt es ganz auf das Verhalten der CSU an, deren Vorsitzender Seehofer ja auch ist. Zwar gab es im Parteivorstand am Sonntag nur eine Gegenstimme innerhalb der CSU für Seehofers "Masterplan" bezüglich der Grenzkontrollen, dennoch gab es auch immer wieder Stimmen, die vor einer Eskalation des Koalitionsstreits warnten. Sollte Seehofer dennoch eigenmächtig damit beginnen, jene Schutzsuchenden zurückweisen, die in einem anderen EU-Mitgliedstaat bereits einen Asylantrag gestellt haben oder dort als Asylsuchende registriert sind, wäre das ein veritabler Affront der deutschen Kanzlerin gegenüber. Diese Vorgangsweise ist jedoch in Seehofers "Masterplan" angedacht und wird von der CDU bislang konsequent abgelehnt. Um ihr Gesicht zu wahren, müsste Merkel daraufhin wohl ihren Bundesinnenminister entlassen.

Szenario 4: Die Union bricht auseinander

Eine Entlassung Seehofers oder ein Nichteinlenken der CSU könnte in der Folge zum Bruch der beiden Schwesterparteien führen, die sich bereits 1949 zum ersten Mal als Union einer Bundestagswahl stellten. Ein Bruch mit der CDU so kurz vor der Landtagswahl in Bayern wäre aber ein großes Risiko für die CSU.

Eine Koalition aus CDU und SPD ohne die bayerische CSU würde derzeit knapp keine Mehrheit im deutschen Bundestag erreichen. Sie würde die für eine Mehrheit notwendigen 355 Mandate lediglich um zwei Mandate nicht erreichen. Um eventuelle Neuwahlen zu verhindern, wäre eine Dreierkoalition aus CDU, SPD und den Grünen oder der liberalen FDP denkbar. Koparteichef Robert Habeck von den Grünen sagte dazu im ZDF: "Wir sind immer bereit, Verantwortung zu übernehmen, wenn es sich lohnt."

Eine Minderheitsregierung zusammen mit der SPD wäre auch denkbar, birgt jedoch die Gefahr eines konstruktiven Misstrauensvotums im Deutschen Bundestag. Um die Kanzlerin zu entmachten, müsste sich die Opposition jedoch auf einen neuen Kanzlerkandidaten oder eine neue Kanzlerkandidatin einigen, was derzeit als unwahrscheinlich gilt.

Szenario 5: Merkel stellt die Vertrauensfrage

Sollte es bei den Gesprächen am Montagnachmittag zu keiner Lösung kommen, könnte Bundeskanzlerin Merkel auch im Bundestag die Vertrauensfrage stellen, um den Rückhalt für etwaige weitere Schritte auszuloten. Sollte die Vertrauensfrage jedoch negativ ausfallen, "so kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers binnen einundzwanzig Tagen den Bundestag auflösen", heißt es im deutschen Grundgesetz, und es müsste binnen 60 Tagen neu gewählt werden. (Fabian Sommavilla, 2.7.2018)